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Software Gesichtserkennung Masken stellen Gesichtserkennung vor Herausforderungen

Maschinelle Gesichtserkennung stösst bei Masken an ihre Grenzen. Doch die Anbieter dieser Technologie profitieren auch von der Pandemie.

In der Schweiz ist die pauschale Anwendung von Gesichtserkennungssoftware im öffentlichen Raum verboten. Anderenorts gehört sie bereits zum Alltag, so etwa in Russland oder in den USA.

Doch das Maskentragen während der Corona-Pandemie stellt die maschinelle Gesichtserkennung vor Herausforderungen. Medienwissenschaftler Roland Meyer erklärt, wie Anbieter darauf reagieren und welchen Nutzen sie daraus ziehen wollen.

Roland Meyer

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Roland Meyer forscht und lehrt als Kunst- und Medienwissenschaftler an der BTU Cottbus-Senftenberg. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Geschichte und Theorie technischer Bilder.

2019 erschien sein Buch «Operative Porträts», das die Vorgeschichte heutiger Gesichtserkennung von Lavater bis Facebook nachzeichnet. Nun erscheint sein Buch «Gesichtserkennung».

SRF: Funktioniert die Gesichtserkennungssoftware überhaupt noch, wenn alle Menschen Masken tragen?

Roland Meyer: Die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum funktionierte schon vor Corona-Bedingungen alles andere als fehlerfrei. Lichtverhältnisse verändern sich, Menschen tragen Mützen, Schals, Sonnenbrillen.

Vor allem erkennt die Software nicht alle Gesichter gleich gut. People of Color, Menschen mit nicht-weisser Hautfarbe, werden häufiger verwechselt, das nennt man «Racial Bias».

Viele versuchen, ihre Algorithmen so zu trainieren, dass sie vor allem auf die Augenpartie fokussieren.
Autor: Roland Meyer Medienwissenschaftler

All diese Probleme, die die maschinelle Gesichtserkennung auch jetzt schon hat, vervielfachen sich, wenn wir Masken tragen. Denn je weniger von einem Gesicht zu sehen ist, umso schlechter wird es auch von den Algorithmen erkannt.

Wie gehen die Anbieter von Gesichtserkennungssoftware mit den Herausforderungen der aktuellen Maskenpflicht um?

Unterschiedlich. Apple, zum Beispiel, hat Face-ID, das System zur Entsperrung des iPhones, so umgerüstet, dass es automatisch erkennt, wenn man eine Maske trägt. Dann wird man aufgefordert, eine PIN einzugeben, um das Handy zu entsperren.

Viele Anbieter von Gesichtserkennungssoftware versuchen jetzt ihre Algorithmen so zu trainieren, dass sie vor allem auf die Augenpartie fokussieren.

Es spielt nicht nur eine Rolle, wie viel vom Gesicht bedeckt wird, sondern auch, welche Farbe die Maske hat.
Autor: Roland Meyer Medienwissenschaftler

Welchen Einfluss haben denn die Masken konkret auf die Erkennungsleistung?

Es spielt nicht nur eine Rolle, wie viel vom Gesicht bedeckt wird, sondern auch, welche Farbe die Maske hat. Wenn man eine dunkle Maske trägt, wird man schlechter erkannt und häufiger verwechselt, als wenn man eine hellblaue Maske trägt. Wie dieser Effekt zu Stande kommt, ist jedoch noch nicht geklärt.

In China wird Gesichtserkennungssoftware grossflächig im öffentlichen Raum eingesetzt. Wie reagiert der Überwachungsapparat dort auf die Maskenpflicht?

In China hat die Pandemie früher eingesetzt. Schon im Januar 2020 war klar, dass jetzt alle Menschen im öffentlichen Raum Masken tragen werden. Das Training der Algorithmen, dass sie auch mit Masken eine gewisse Erkennungsleistung schaffen, setzte dementsprechend früher ein und verschafft jetzt möglicherweise den chinesischen Firmen einen Marktvorteil.

Das heisst, da werden nun zusätzliche Datenbanken von maskierten Gesichtern erstellt?

Das passiert auf jeden Fall. Aber teilweise behilft man sich auch damit, dass man bestehende Datenbanken mit Photoshop oder ähnlichen Programmen so verändert, dass man auf die vorhandenen Fotos der Gesichter eine Maske draufsetzt.

Mit diesen Bildern werden dann die Gesichtserkennungs-Algorithmen auf ihre Fähigkeit getestet, Menschen mit Maske im Gesicht zu erkennen.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass sich die Pandemie auch als Glücksfall für die Anbieter von Gesichtserkennungssystemen erweisen könnte. Können Sie das erläutern?

Die Corona-Krise bietet ganz neue Möglichkeiten des Einsatzes für Gesichtserkennung. Man kann zum Beispiel – und das wird in China gemacht – die Gesichtserkennung mit Temperatur-Scans verbinden und dann zum Beispiel Alarm geben, wenn sich Menschen mit Fieberverdacht im öffentlichen Raum bewegen.

Buchhinweis:

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Roland Meyer: «Gesichtserkennung». Verlag Klaus Wagenbach, 2021.

Ausserdem kann man die Maskenpflicht selbst kontrollieren. Und natürlich kann man versuchen – das wird nicht nur in China gemacht, sondern zum Beispiel auch in Moskau – Kontaktbeschränkungen und Quarantänevorschriften mit Gesichtserkennung zu kontrollieren.

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 25.2.2021, 17:58 Uhr

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