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Der Bibliothekenschwund in Grossbritannien
Aus Kultur-Aktualität vom 18.12.2019. Bild: Getty Images / Jeff Greenberg
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Sparpolitik in Grossbritannien Lange litten britische Bibliotheken – das könnte sich nun ändern

Die britische Sparpolitik der letzten Jahre hat öffentliche Bibliotheken besonders hart getroffen. Doch Premier Boris Johnson hat ein Ende der Kürzungen versprochen. Gilt das auch für die Bibliotheken?

Sie sparten, wo es nur ging: Als die erste konservativ-liberale Koalitionsregierung von David Cameron eine rigide Sparpolitik einleitete, trugen die Gemeinden und Städte die Hauptlast der Kürzungen.

Opportunistische Auswahl der Opfer

Besonders rücksichtslos wurden in den Kommunen diejenigen Budgets zusammengestrichen, die nur wenig Protest unter der Bevölkerung weckten. Kinderkrippen, Jugendzentren, Schwimmbäder wurden geschlossen – und Bibliotheken.

Innenraum einer Bibliothek:
Legende: Der traditionellere Teil der Liverpool Library. imago images / Arcaid Images

Seit 2010 betrugen die Kürzungen mehr als ein Fünftel. Unterprivilegierte Gemeinden waren aufgrund des Verteilungsschlüssels besonders hart betroffen.

Das Sterben der Bibliotheken

800 Bibliotheken wurden geschlossen, das Budget sank um ein Drittel, der Personalbestand um 40 Prozent. Zahlreiche Büchereien blieben zwar zum Schein offen, wurden aber nur noch von Freiwilligen betreut.

Dieser Kahlschlag brachte auch einen Verlust von öffentlichem Raum, denn Bibliotheken bieten auch Gastfreundschaft für Seniorentreffen, Anlässe für junge Mütter mit ihren Babys, Sprachunterricht für Einwanderer. Zudem stellen funktionierende Bibliotheken Arbeitsplätze mit Internetansschluss zu Verfügung. Etwa, um amtliche Formulare auszufüllen.

Grobmaschiges soziales Netz

Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, beklagte nun in einem Interview, dass die britische Gesellschaft sich in eine falsche Richtung entwickle. Er wies auf steigende Obdachlosenzahlen und die zunehmende Nutzung von Suppenküchen hin.

Auch das sind kommunale Aufgaben. Doch die Städte und Gemeinden hatten letztlich keine Wahl. Das soziale Netz wurde grobmaschiger. Sie mussten namentlich einen Budgetposten bedienen: die Hauspflege, mit der es schlecht bestellt ist.

Ältere Leute werden allzu oft ins Spital eingeliefert, weil es zu wenig Ressourcen für die Hauspflege gibt, was wiederum das Gesundheitswesen sprengt.

Wo hält das Versprechen?

Im Wahlkampf hatten sowohl Labour als auch die siegreichen Tories ein Ende der «Austerität», der Sparpolitik, versprochen. Für den inzwischen nahezu allmächtigen Boris Johnson ist das ein politischer Imperativ.

Seine Konservative Partei ist jetzt in verarmten und vernachlässigten Wahlkreisen des englischen Nordens zahlreich vertreten, in den früheren Stammlanden Labours. Johnson hat bereits versprochen, dass er mit der grossen Kelle neue Eisenbahnlinien und Busverbindungen im Norden einrichten wird.

Das ist glaubwürdig. Aber Skepsis scheint angebracht, ob sich diese Grosszügigkeit künftig auch auf kulturelle Einrichtungen wie Bibliotheken erstreckt. Johnson geht es um seine neuen Wähler, und diese erwähnen Bibliotheken kaum.

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