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Eine Hand hält viele Tausendernoten.
Legende: «Mit dem automatischen Informationsaustausch wird es schwieriger werden, Geld zu verstecken», sagt Juristin Monika Roth. Imago/Geisser

Steueroasen trocken legen? «Schwarzgelder entgegenzunehmen ist ein No-Go»

Nach der Finanzkrise 2008 geriet die Schweiz unter Druck – und kam als Steueroase auf eine schwarze Liste. Was hat sich in der Zwischenzeit getan? Eine Juristin gibt Aufschluss.

SRF: Tausende von Milliarden Franken sollen weltweit in Steueroasen liegen. Dabei handelt es sich um Vermögen, das nie versteuert wird. Lässt sich über das Ausmass der Steuerflucht etwas Genaueres sagen?

Monika Roth: Es gibt nur Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen. Man weiss es nicht genau. Es gibt offizielle Berechnungen einzelner Regierungen, die merken, dass ihnen Steuereinnahmen entgehen, wie zum Beispiel Griechenland. So geht der griechische Staat davon aus, dass 300 Millionen Euro auf Schweizer Banken liegen, die dem Land entzogen worden sind.

Zur Person

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Legende: Keystone

Monika Roth ist unabhängige Juristin. Die ehemalige Jus-Professorin der Hochschule Luzern ist Spezialistin für Wirtschaftskriminalität.

Das Bankgeheimnis ist in der Schweiz in den letzten Jahren weitgehend preisgegeben worden. Zudem gibt es einen Handel mit Bankkunden-Daten, die an Steuerbehörden verkauft werden.

Dadurch dürfte es schwieriger geworden sein, Vermögen vor dem Zugriff einer Steuerbehörde zu verstecken. Ist das Risiko aufzufliegen grösser geworden?

Ja, die Gefahr ist grösser geworden, aber aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen wegen Geschichten von Datendiebstahl, die ich persönlich das Allerletzte finde. Ich betrachte es als illegitim, wenn sich Staaten an solchen Machenschaften beteiligen und diese Daten dann kaufen.

Zum anderen wird es mit dem automatischen Informationsaustausch, der jetzt zwischen Staaten institutionalisiert wird, schwieriger werden, Geld vor dem Zugriff der Steuerbehörde zu verstecken.

Besonders heftig war in den letzten Jahren der Steuerstreit zwischen Deutschland und der Schweiz. Wie hat sich dieses Verhältnis in letzter Zeit entwickelt?

Es hat eine Deeskalation gegeben, nachdem die «Kavallerie» von Peer Steinbrück – bewaffnete Soldaten hoch zu Ross – nicht eingerückt ist. Aber seine Drohgebärde hat einen massiven Druck aufgesetzt. Denn es wurde klar, dass die Drohungen aus Deutschland nicht nur den Finanzplatz, sondern auch den Werkplatz Schweiz und die Exporte betreffen.

Das Verhältnis ist heute insofern entspannt, als die Schwarzgelder bereinigt sind. Die Banken haben ihre Kunden aufgefordert, sich selbst anzuzeigen und die Situation so zu klären.

Wie funktionieren Steueroasen?

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Viele Staaten schlitterten mit der Finanzkrise von 2008 auch in eine Wirtschaftskrise. Länder wie Italien und Griechenland sind seither dringend auf mehr Steuereinnahmen angewiesen.

Steuerabkommen, etwa zwischen der Schweiz und Italien oder Griechenland, sollen dabei helfen. Was bewirken solche Abkommen?

Diese Abkommen sind wichtig, weil sie oft unter der Vorgabe passieren, dass sich die Schweiz bereit erklärt, Altlasten zu bereinigen. Es werden Steueramnestien ausgesprochen, dafür melden sich bisherige Steuerflüchtlinge und deklarieren ihre Vermögen.

Aber – Abkommen hin oder her – für die Banken gilt heute: Die Entgegennahme von Schwarzgeldern ist ein No-Go.

Nach der Finanzkrise wurde der Ruf nach einer stärkeren Regulierung laut. Haben Bankangestellte heute strengere Regeln zu befolgen, wenn sie Kunden bei Geldanlagen beraten und diese ihre Steuern sozusagen optimieren wollen?

Einerseits sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht höher geworden. Steuerhinterziehung kann eine Vortat zur Geldwäscherei bilden. Dafür muss der hinterzogene Betrag pro Steuerperiode mindestens 300'000 Franken betragen.

Andererseits gibt es nach wie vor zu hohe Anreize für die Berater. So haben sie ein Interesse daran, dass ein Kunde möglichst viel Geld bringt. Dabei besteht die Gefahr, dass der eine oder andere das Kundenprofil anpasst und eine Story erfindet, wenn eine hohe Summe kommt, deren Höhe oder Herkunft nicht erklärbar ist.

Dies kann nicht im Interesse der Bank sein. Solche Anreize sind immer noch eines der grösseren Risiken.

Das Gespräch führte Sabine Bitter.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kontext, 25.08.17, 09:02 Uhr

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