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Gesellschaft & Religion Streit und Verwerfungen unter den orthodoxen Kirchen

Ihre Einheit wollten die christlichen orthodoxen Kirchen bei einer historischen Kirchenversammlung auf der griechischen Insel Kreta stärken. Doch bereits im Vorfeld haben mehrere Kirchen ihre Teilnahme abgesagt. Warum dominieren Streit und Verwerfungen unter den Orthodoxen?

Orthodox, das bedeutet rechtgläubig. Die christlichen orthodoxen Kirchen sind davon überzeugt, dass sie den Schatz des wahren Glaubens hüten. Sie wollten sich am orthodoxen Pfingstfest vom 19. bis 26. Juni zu einem Konzil versammeln. Das letzte ökumenische Konzil liegt weit zurück. Es fand im Jahr 787 in Nicäa statt und das ist eine Weile her.

Weltweit gehören 300 Millionen Menschen zur orthodoxen Christenheit. Sie sind in 14 eigenständigen, nationalen Kirchen organisiert, unter anderem in Russland, Griechenland, Serbien, Bulgarien und Rumänien. Mit der Kirchenversammlung wollten die orthodoxen Kirchen näher zusammenrücken. Doch zu viele strittige Themen lagen in der Luft.

Politische Spannungen

Bereits der Tagungsort war ein Kompromiss. Ursprünglich sollte das Konzil in Istanbul stattfinden. Wegen der politischen Spannungen zwischen der Türkei und Russland – nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe – musste es nach Kreta verlegt werden.

Im Vorfeld des Konzils haben sich die Kirchen von Bulgarien, Georgien und Serbien sowie das Patriarchat von Antiochia für eine Verschiebung ausgesprochen. Zuletzt hat die russisch-orthodoxe Kirche – die grösste orthodoxe Gemeinschaft – ihre Teilnahme abgesagt. Als Gründe gelten Konflikte unter den Kirchen und die zu liberale Ausrichtung des Konzils.

Putin und der Patriarch von Moskau
Legende: Putin und der Patriarch von Moskau sind sich sehr verbunden. Keystone

Streit um Kompetenzen und Vorherrschaft

An Zündstoff unter den orthodoxen Kirchen fehlt es nicht. Da ist einmal das Gerangel um Kompetenzen. Umstritten ist, wie viel das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Welt, Bartholomaios I., der Patriarch von Istanbul zu sagen hat. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. inszeniert sich gerne als dessen Gegenspieler. Er beansprucht zudem vehement die Hoheit über die orthodoxen Kirchen in der ehemaligen Sowjetunion.

Kyrill I. hat einen direkten Draht zu Präsident Wladimir Putin. Die beiden schmieden offenbar eine heilige Allianz, um die Christenheit vor westlicher Dekadenz zu retten. Dies schmeckt nicht allen. Einzelne Kirchen haben sich bereits von Moskau losgesagt. Besonders heikel ist die Situation in der Ukraine. Dort gibt es neben der moskautreuen Kirche weitere nationalukrainische Kirchen, die mit Moskau im Streit liegen. Für Kyrill I. sind das Abtrünnige.

Ein weiteres strittiges Thema ist das Verhältnis der orthodoxen Kirchen zu anderen christlichen Kirchen, beispielsweise zur römisch-katholischen Kirche. Im Jahr 1054 kam es zum endgültigen Bruch zwischen der Ost- und Westkirche. Der Papst in Rom und der Patriarch von Konstantinopel exkommunizierten sich gegenseitig. Für viele Orthodoxe ging das Treffen von Papst Franziskus mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. am 12. Februar 2016 in Kuba zu weit. Für sie ist dieser Dialog des Teufels. Weitere kontroverse Themen des Konzils wie der Umgang mit homosexuellen Menschen waren vorsichtshalber bereits auf eine spätere Konzilssitzung verschoben worden.

Mehrstündige Gottesdienste

Und was eint die Orthodoxen? Gesänge, Gebete, Weihrauch, Ikonen: Die Gottesdienste und die Theologie verbinden die Orthodoxen über die Grenzen der Nationen hinweg. Im Gegensatz zur römisch-katholischen Kirche können Priester in den orthodoxen Kirchen heiraten, jedenfalls vor der Priesterweihe. Frauen im Priesteramt sind jedoch undenkbar. Darüber wird auch nicht diskutiert.

Kein heisses Eisen ist dafür die Zulassung zur Kommunion von wiederverheirateten Geschiedenen bei den Orthodoxen. Sie können bis zu drei Mal kirchlich heiraten. Strittig ist aber die Heirat mit Menschen, die nicht dem orthodoxen Glauben oder einer nicht-christlichen Religion angehören. Diese Frage stellt sich insbesondere für Gläubige, die nicht mehr in ihrem Ursprungsland leben. Noch ein drängendes Thema, das nun nicht verhandelt werden kann.

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