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Tabu Menstruation Die Menstruation soll gefeiert werden

Kampf gegen ein uraltes Tabu: Aktivistinnen wollen den Austausch über die Menstruation fördern – im Netz und in roten Zelten auf Sommerfestivals.

Schon junge Mädchen machen die Erfahrung, dass sie sich offenbar für ihre Menstruation schämen sollten: Auf dem Weg zur Schultoilette werden Tampon oder Binde möglichst unauffällig in den Ärmel gestopft. Finden Mitschüler auf dem Flur einen verlorenen Tampon, wird gelacht.

Unter dem Motto «period positive movement» wird das Thema Menstruation im Netz derzeit erstaunlich kontrovers diskutiert – gerade von Frauen.

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Mit roten Zelten das Tabu Menstruation brechen
aus Kultur-Aktualität vom 05.07.2018. Bild: Goal Girls
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 8 Sekunden.

Den Diskurs laut machen

Für einen enthemmten Umgang mit der Menstruation wirbt eine Berliner Agentur, indem sie an deutschen Festivals sogenannte «Red Tents» – rote Zelte – aufstellt. Diese sollen ein Ort für den Austausch über die Periode sein.

Kaddie Rothe hatte die Idee dazu: «Festivals und Bewegungen gehen Hand in Hand. Meist ist es gut, ein Thema, das Befangenheit auslöst, locker anzugehen und Leute zusammenzubringen, um die Gespräche darüber laut zu führen.»

Vier junge Frauen posieren vor einem rot angemalten Zelt.
Legende: Kaddie Rothe (unten) mit den anderen «Goal Girls» vor dem roten Zelt. Goal Girls

Bloody Maries im roten Zelt

In den roten Zelten gibt es Workshops, und Party-Löwinnen können sich etwa bei einer Bloody Mary über ihre Periode austauschen.

Die Idee des roten Zeltes ist nicht neu, sie ist so alt wie die Menschheit selbst: «Bei den Urvölkern war es eine Tradition, bei der die Frauen zusammenkamen, um ihre Periode zu feiern», so Kaddie Rothe. «Wir wollen das auf eine moderne Art und Weise tun und sagen: Es ist Zeit für eine Revolution der Perioden – für bessere Perioden, neue Periode-Produkte und die Integration der Menstruation in den Alltag.»

Finanziert werden soll das ambitionierte Projekt «Red Tents» über Crowdfunding. Doch die Begeisterungsstürme von Unterstützerinnen blieben bislang aus. Knapp 800 Euro hat das Crowdfunding bislang lediglich eingebracht.

Banalisierung eines Tabus

Die Netzaktivistin Theresa Lehmann beobachtet den gesellschaftlichen Diskurs über die Menstruation seit ein paar Jahren. Sie ist der Meinung, mit den roten Zelten stigmatisiere man die Frau einmal mehr. Anstatt aufzuklären, banalisiere man das gesellschaftliche Tabu.

Dabei gibt es immer wieder Versuche, das Thema zu enttabuisieren. Gerade im Netz findet ein reger Diskurs statt. 2014 zum Beispiel veröffentlichte die indische Künstlerin Rupi Kaur auf Instagram ein Foto, auf dem sie in Joggingkleidung auf einem Sofa liegt. Zwischen ihren Beinen sieht man einen kleinen Blutfleck.

«Besonders herausstechend bei diesem Bild ist, dass es eigentlich ein banaler Fleck ist. Es ist ein Bild, dass eine Normalität von Menstruation zeigt. Aber dieses Bild hat krasse Wellen geschlagen», so die Netzaktivistin Theresa Lehmann.

Zweimal wurde es auf Instagram gesperrt, sogar Frauen haben entsetzt und wütend reagiert. Zum Schluss aber war die Solidarität mit der indischen Künstlerin so gross, dass das Bild wieder freigegeben wurde.

Es stellt sich die Frage: Ertragen wir den Anblick dieses Blutes nicht?
Autor: Theresa Lehmann Netzaktivistin

Eine unreine Flüssigkeit

Die Ursache für dieses Tabu, glaubt Lehmann, liege in der mangelnden Aufklärung. Bis vor einigen Jahrzehnten galt Menstruationsblut als giftig und schädlich. In vielen Kulturen gilt es bis heute als unrein.

Auch in unserer Gesellschaft löse das Thema Menstruation bei vielen Männer und Frauen noch immer Unbehagen und Ekel aus. «Das möchte man nicht sehen. Das sieht man bei der Werbung von Hygieneprodukten rund um die Periode. Da wird nie Blut gezeigt, sondern eine blaue Flüssigkeit. Da stellt sich die Frage: Ertragen wir den Anblick dieses Blutes nicht?» fragt Lehmann.

«Free bleeding»

Ein Jahr nach dem Aufruhr um die indische Künstlerin sorgte ein weiteres Bild für Aufregung: 2015 nahm die US-Amerikanerin Kiran Gandhi an einem Marathon in London teil.

Am Tag des Marathons bekam sie ihre Menstruation. Weil sie bei Langstreckenläufen schlechte Erfahrungen mit Binden und Tampons gemacht hat, lässt sie das Blut sichtbar laufen. Sie propagiert damit das sogenannte «Free bleeding».

Gandhi ist der Meinung, dass Frauen dazu angehalten werden, ihre Blutung zu verstecken und zu verleugnen.

Ihre Aktion hat sie zudem damit begründet, dass sie auch für die Frauen laufen möchte, die sich Tampons und Binden nicht leisten können.

Hohe Mehrwertsteuer auf Binden und Tampons

Hierzulande ist es zum Glück kein Thema, dass Frauen aufgrund ihrer Periode benachteiligt oder ausgeschlossen werden.

Allerdings wird auch in der Schweiz auf Tampons und Monatsbinden der höhere Mehrwertsteuersatz erhoben. 2016 liessen Künstlerinnen aus Protest Kunstblut durch die Brunnen Zürichs laufen.

Aktionen sind Einzelfälle

Blickt man auf all diese Aktionen zurück, so seien dies lediglich Einzelfälle, sagt Netzaktivistin Theresa Lehmann. Sie wünsche sich mehr Offenheit mit dem Thema – immerhin hätte eine Frau rund 400 Mal im Leben ihre Periode.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 5.7.2018, 17:40 Uhr.

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