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Tonbildschau-Archiv «Sachlich bleiben»: So belehrten die SBB ihre Mitarbeiter

Bis in die 1990er-Jahre haben Unternehmen wie die SBB ihre Mitarbeiter mit Tonbildschauen geschult. Aus heutiger Sicht wirkt das oft unfreiwillig komisch.

Alles, was es braucht, ist eine Reihe Bilder, einen Text und etwas Musik. Und ganz wichtig: das «Piep». Dieses ertönt immer dann, wenn es Zeit ist, zum nächsten Bild zu wechseln. Die Tonspur läuft von alleine, aber das Schalten von Bild zu Bild musste meist jemand von Hand machen. Eben immer dann wenn das «Piep!» ertönte.

Mitarbeiter-Schulung noch bis in die 1990er-Jahre

Aus diesen Zutaten entstanden Werke wie zum Beispiel «Kundendienst» oder «In Reklamationen stecken Chancen» über den richtigen Umgang mit Kunden, die sich beschweren. Mit solchen Diaschauen schulten die SBB noch bis in die 1990er-Jahre ihre Mitarbeiter, denn die Produktion war viel günstiger, als bei einem Film.

Ein Bahnangestellter mit Zigarette im Mund spricht mit einem Kunden.
Legende: «Was, den Koffer erst gestern Abend aufgegeben? Und der soll schon hier sein?» Negativbeispiel im Umgang mit Kunden aus dem SBB-Archiv. SBB Historic

In Tonbildschauen wurden beispielsweise das korrekte Verhalten gegenüber Kunden oder zwischen Mitarbeitern thematisiert oder neue Produkte vorgestellt. Damit bieten sie einen spannenden Einblick in die Arbeitsgeschichte.

Unfreiwillige Komik

Der Historiker Lukas Gerber hat bei SBB Historic, dem Zentrum für Eisenbahngeschichte, nun diese Dias aus dem Archiv geholt – und er hatte seinen Spass dabei: «Ich musste lachen. Diese Tonbildschauen wirken heute durch ihren strengen didaktischen Ton extrem verstaubt. Dazu kommt, dass sie eine Bildsprache verwenden, die wir heute nicht mehr gewohnt sind. Sie wirken unfreiwillig komisch.»

Rhythmus und Timing dieser Diaschauen sind tatsächlich bemerkenswert. Zwischentitel mit eingängigen Merksprüchen bleiben schier endlos lange stehen, bevor es in der Bildfolge endlich weitergeht. Und auch die schauspielerischen Qualitäten der Sprecher lassen zu wünschen übrig. Oft klingt es nach selbstgebastelten Hörspielen.

Heute undenkbar

«Das könnte man heute bei einer Weiterbildung niemandem mehr vorführen. Die Leute würden das nicht mehr akzeptieren», sagt Lukas Gerber. Diese Diaschauen sind ein Lehrstück darüber, wie sich unsere Seh- und Hörgewohnheiten in den letzten Jahrzehnten verändert haben.

«Wahrscheinlich ist das dem Film zuzuschreiben, der heute sehr stark geprägt ist von schnellen Schnitten. Oder wenn wir Serien anschauen, wo unterschiedliche Erzählstränge gleichzeitig laufen, dann sind diese Tonbildschauen unglaublich langsam mit ihren statischen Bildern. Die Erzählweise ist extrem starr. Das ist heute wirklich nicht mehr aktuell.»

Und dennoch: Diese Tonbildschauen erzählen ein Stück Medien- und Didaktik-Geschichte. Sie sind es Wert, dass man sie endlich aus den Archiven holt – und sich mal wieder einen schönen Diaabend macht.

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