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Transparenz statt Staatsgelder So will der Kanton Wallis die Kirchenkassen wieder füllen

Weil die Kasse des Bistums Sitten aufgrund fehlender Kollekten leer war, musste der Kanton mit einer Million Franken aushelfen. Nun soll die Finanzierung neu geregelt werden.

Das Wallis ist ein Sonderfall. Anders als in anderen Schweizer Kantonen gibt es keine klare Trennung von Kirche und Staat. Das zeigt sich besonders anschaulich bei den Steuern: Im Wallis finanzieren alle Einwohnerinnen und Einwohner die Kirchen. Egal, ob sie Mitglied sind oder nicht.

Denn im Wallis gibt es keine demokratisch organisierten Landeskirchen, die das Geld verteilen. Die Kirchgemeinden erhalten ihr Geld von den politischen Gemeinden.

Die Gemeinde Brig etwa kommt auch für die Ausgaben der Kirchgemeinde Brig auf. «Die Walliser Stimmbevölkerung hat das 1991 so beschlossen», sagt Richard Lehner, Generalvikar des Bistums Sitten.

Corona hinterlässt ein Loch in der Bistumskasse

Die beiden anerkannten Kirchen – die römisch-katholische und die evangelisch-reformierte – sind ganz zufrieden mit dem System. Für das Bistum Sitten auf kantonaler Ebene ist dies aber nicht unproblematisch.

Das Bistum erhält nämlich keine Steuergelder, sondern finanziert sich hauptsächlich über Spenden. Diese werden unter anderem in Gottesdiensten gesammelt – und sind im letzten Jahr stark eingebrochen. «Wegen der Corona-Pandemie konnten die Gottesdienste gar nicht oder nur mit weniger Besucherinnen und Besuchern stattfinden», erklärt der Generalvikar.

Die Folge: Der Kanton musste einspringen. Alles in allem erhielt das Bistum rund eine Million Franken aus der Staatskasse.

Defizitgarantie soll in die Verfassung

Das Loch in der Bistumskasse war letztes Jahr besonders gross. Doch das Problem hat System. Das Bistum gibt jedes Jahr mehr aus, als es einnimmt. Es erhält jedes Jahr mehrere 100'000 Franken vom Kanton. Nun möchte das Bistum diese Defizitgarantie des Kantons in die Verfassung schreiben.

Schliesslich leiste das Bistum auch Dienst an der Allgemeinheit: «Ich denke da etwa an die Gefängnisseelsorge, die Seelsorge in den Spitälern und für Ausländerinnen und Ausländer», sagt Richard Lehner.

Eine historische Kirche mit Bergen im Hintergrund.
Legende: Im Kanton Wallis soll die Finanzierung der Kirchen – wie etwa die Kirche von Gletsch in Oberwald – zukünftig neu organisiert werden. Keyston / Gaetan Bally

Freidenker fordern mehr Transparenz

Tatsächlich sind die Chancen gross, dass die Finanzierung der Kirchen im Kanton Wallis neu organisiert wird. Denn die Verfassung wird gerade revidiert. Das Verhältnis von Kirche und Staat neu geregelt.

Valentin Abgottspon, Vorsitzender der Oberwalliser Freidenkenden, sieht dies als Chance: Die Freidenker möchten Kirche und Staat strikt trennen. Sie verlangen, dass der Staat sich ganz aus der Finanzierung der Kirchen zurückzieht. Realistisch ist diese Forderung im Wallis allerdings nicht. Deshalb kämpft Valentin Abgottspon für mehr Transparenz: «Jeder Steuerzahler und jede Steuerzahlerin soll wissen, wofür die Kirchgemeinden ihr Geld ausgeben.»

Geld soll von Kirchen verwaltet und verteilt werden

Genau dahin gehe die Entwicklung, bestätigt auch Kurt Regotz. Er ist CSP-Politiker und Vorsitzender der zuständigen Kommission des Verfassungsrates, der gerade die Verfassung überarbeitet. «Wir streben ein verständlicheres und transparenteres System an», sagt er.

Die Kirchen sollen als anerkannte Religionsgemeinschaften Geld erhalten, das sie selber verwalten und verteilen. «Eine Defizitgarantie ohne finanzielle Transparenz wird es künftig nicht mehr geben», glaubt Kurt Regotz.

Wie genau die Kirchenfinanzierung in der Verfassung geregelt wird, muss der Verfassungsrat noch ausarbeiten. Es deutet aber vieles darauf hin, dass die Trennung von Kirche und Staat bald auch im Wallis Einzug hält.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 30.04.2021, 8:06 Uhr

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