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Überarbeitetes Strafgesetz Der Vatikan benennt sexuelle Übergriffe an Kindern neu als solche

Die Reformen seien längst überfällig gewesen, heisst es von vielen Seiten. Es wird aber auch kritisiert, dass das Strafgesetz noch mehr präzisiert und weiter verschärft werden sollte.

Dass die römisch-katholische Kirche ein eigenes Strafgesetz hat, mag manche überraschen. Doch ist es bei anderen Institutionen ähnlich: Auch die FIFA oder Schweizer Banken haben privat geregelte Sanktionsmechanismen.

In der Schweiz geht das staatliche Strafrecht vor. Kirchen und Religionsgemeinschaften können sich also nicht vom weltlichen Recht befreien, in dem sie sich auf ihr eigenes Kirchenrecht berufen.  

Barmherzigkeit vs. Strafe

Das römisch-katholische Strafgesetz ist Teil des Kirchenrechts. Dieses wird im «Canon Iuris Canonici» festgehalten und trat in seiner letzten Revision 1983 in Kraft. Die aktuelle Reform des Strafgesetzes ist die erste Generalüberarbeitung seither.

Sie reagiert etwa auf die vielen Missbrauchsfälle in der römisch-katholischen Kirche, die in den letzten Jahren publik wurden. Aber auch auf die finanziellen Skandale etwa rund um die Vatikanbank.

Gudrun Sailer, Journalistin bei Vaticannews, sagt zu den Reformen allgemein: «Hart gesagt straft die katholische Kirche jetzt wieder.»

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er-Jahren habe nämlich eher die Auffassung geherrscht, Tätern mit Barmherzigkeit zu begegnen. Darum sei strafrechtlich oft wenig oder nichts passiert. «Das ist nicht immer gerecht, gerade wenn es um sexuellen Missbrauch geht», sagt die Kennerin der römisch-katholischen Kirche.  

Sexuelle Übergriffe neu als Straftat

Erstmals werden sexuelle Übergriffe an Minderjährigen überhaupt als solche benannt und als Straftat bezeichnet. Zudem gelten sie nicht mehr nur als Verstoss gegen den Zölibat, sondern als Straftat gegen «Leben, Würde und Freiheit des Menschen». Damit werden sexuelle Übergriffe an Minderjährigen ähnlich behandelt wie Mord oder Abtreibung.

Neu können bei sexuellen Übergriffen an Kindern und Jugendlichen neben geweihten Geistlichen auch kirchliche Angestellte oder Laien belangt werden. Zudem gelten keine Verjährungsfristen mehr. Hier geht das kirchliche Strafrecht sogar weiter als das staatliche Strafrecht. Die Höchststrafe für Geistliche bei sexuellen Übergriffen bleibt die Entlassung aus dem Klerikerstand. Das kommt einem lebenslangen Berufsverbot gleich.

Exkommunikation bei Frauenweihe

Als höchste kirchenrechtliche Strafe gilt im Allgemeinen die Exkommunikation. Dies bedeutet, dass jemand zeitweise oder permanent aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird. Man darf nicht mehr am Gottesdienst teilnehmen und Sakramente empfangen oder spenden.

Exkommunikation sieht das überarbeitete Strafgesetz etwa bei Frauenweihe vor. Diese wird neuerdings explizit verboten. Ein Bischof würde sich also strafbar machen und exkommuniziert werden, sollte er eine Frau zur Diakonin oder Priesterin weihen. Allerdings könnte das Verbot rückgängig gemacht werden, sollte sich die offizielle Lehrmeinung dereinst ändern.

Im Zusammenhang mit finanziellen Delikten wie Korruption sieht das überarbeitete Strafrecht jetzt auch die Entlassung aus dem Amt vor. Zudem können Geldbussen oder Schadensersatzzahlungen ausgesprochen werden. Dies gilt für Kleriker ebenso wie für kirchliche Angestellte.

Überfällige Überarbeitung

Die Reformen seien längst überfällig gewesen, heisst es von vielen Seiten. Es wird aber auch kritisiert, dass das Strafgesetz noch mehr präzisiert und weiter verschärft werden sollte. Gleichzeitig kann man sagen: Es wird zukünftig schwieriger werden, Straftaten in der römisch-katholischen Kirche zu vertuschen.

Denn wer Delikte nicht zur Anzeige bringt, macht sich auch selbst strafbar. Entscheidend wird nun sein, wie das neue Strafgesetz angewendet wird. Ab Dezember tritt es in Kraft. Der Vatikan stellte bereits diese Woche ein Handbuch in Aussicht, das Kirchengerichte und Bischöfe bei der Umsetzung unterstützen soll.

Sendung: Radio SRF 4 News, Echo der Zeit, 01.06.2021, 18:00 Uhr

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