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Gesellschaft & Religion Überraschend scharfe Töne an der Basler Fasnacht

Die Fasnacht ist vorbei, doch einige Eindrücke bleiben: SRF-Literaturredaktor und Fasnachtsspezialist Michael Luisier blickt auf eine Basler Fasnacht zurück, die angesichts des aktuellen Weltgeschehens für Momente der Sprachlosigkeit sorgte.

Zur Person

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Legende: SRF

Michael Luisier ist Kulturredaktor bei SRF 2 Kultur. Es spielt Basler Piccolo und ist seit 1977 aktiver Fasnächtler. Seit 13 Jahren berichtet er über die Fasnacht.

Zur Vorfasnacht haben Sie wegen des schlechten Jahres eine gute Fasnacht angekündigt. Hat die Fasnacht Ihre Erwartungen erfüllt?

Michael Luisier: Ja, es war grossartig. Allerdings in einem zynischen Sinn. Es gab viele Themen, die auf eindrückliche Art umgesetzt wurden. Sehr beeindruckend war die Laterne der Basler Bebbi mit einer grossen Welle, die auf den Betrachter zukommt. Man kann sie als Flüchtlingswelle verstehen, aber auch als die Welle, in der Flüchtlinge ertrinken.

Welches waren die Top-Themen?

Es ging in zwei Richtungen: einmal die Stadt selbst, analog zum Motto «Mer mache dicht». Die Leute haben das Gefühl, Basel sterbe aus. Es werde zu viel reglementiert, leben sei gar nicht mehr möglich. Es fiel ausserdem auf, dass die Basler nach zwölf Jahren Rot-Grün offenbar genug haben. Daneben gab es die grossen, internationalen Themen: da vor allem die Flüchtlingsproblematik.

Was hat überrascht?

Die absolut scharfen Töne. In mehreren Fällen haben die Fasnächtler den selbst auferlegten Anstand aufgehoben, Aussagen zu verklausulieren. Ich fand es nicht immer gut, aber egal.

An den Schnitzelbangg-Abenden gab es zwei, drei wirklich schockierende Momente. Die Dreydaagsfliege verglichen die Schweiz in einem Vers mit Auschwitz. Das hat für Irritation gesorgt. In dem Moment stürzte der Saal ab. Die Frage ist, ob man so die Leute zum Nachdenken bringt. Eine Provokation ist es auf alle Fälle. Für Fasnacht war das sehr überraschend.

Eine Frau mit Schwert und Waage in der Hand.
Legende: Momente, die zum Nachdenken anregen: «Justitia» tritt zum Beresinalied auf. Keystone

Welche Pointen haben den Nagel besonders auf den Kopf getroffen?

An der Vorfasnacht gab es zwei Momente, bei denen ich dachte, es ist einen Gedanken wert: Am Charivari kam die «Justitia» auf die Bühne, begleitet vom Beresinalied. Sie machte darauf aufmerksam, was in der Welt geschieht und setzte es damit ins Verhältnis, jetzt Fasnacht zu machen. Wir haben in Basel ja die Möglichkeit, politisch zu arbeiten, anders zu sein und zum Nachdenken aufzurufen. Es ist ein Geschenk, dass wir diese Anarchie haben, welche Macht immer in Frage stellt.

Der andere Moment war am Pfyfferli, als im Prolog erst von Basler Politikern wie Wessels, Morin und Co. gesprochen und dann auf Syrien und die Flüchtlinge verwiesen wurde: «Und jetzt sollen wir ein Versli machen?». In diesem Moment wurde die Aufgabe der Fasnächtler, Satire zu machen, knallhart hinterfragt. Bei solchen Themen braucht es wohl einfach mehr als einen Vierzeiler.

Erfindet sich die Fasnacht noch neu, oder ist es am Ende Jahr für Jahr das Gleiche?

Es ist vom Prinzip her immer gleich. Allerdings gab es dieses Jahr eine besondere Stimmung. Die Stimmung, dass es um etwas geht. Vor ein paar Jahren ging es um gestrickte Kunst an Brückengeländern. So etwas wäre dieses Jahr nicht möglich gewesen. Das spürte man durchgehend.

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