«Manche Menschen hören Stimmen, andere sehen Geister und bei wieder andere bewegen sich Gegenstände durch die Luft.» Walter von Lucadou ist wahrscheinlich der bekannteste Geisterjäger im deutschsprachigen Raum. Wobei er nicht mit einem Fangnetz auf Geisterjagd geht.
Der 76-Jährige rückt dem Spuk mit wissenschaftlichen Methoden auf den Leib. Seit rund drei Jahrzehnten betreibt der promovierte Physiker und Psychologe in Freiburg eine parapsychologische Beratungsstelle. Hier können sich Leute melden, die Übersinnliches erleben.
Ein Schutzschild für die Psyche
Als Physiker ist Walter von Lucadou ein Mann der Naturwissenschaft. Nichtsdestotrotz ist er überzeugt, dass Spuk existiert und dass es Geistererscheinungen gibt. Seine These: Wer Geister sieht, verdrängt wahrscheinlich ein Problem. Weil wir Menschen auf feinstofflicher Basis mit unserer Umwelt verknüpft sind, manifestiert sich dieses Problem dann als Spuk oder Geistererscheinung.
«Menschen, die Geister sehen, haben ein gutes psychisches Schutzsystem, weil sie ihr Problem unbewusst ins Aussen transportieren und es sich so quasi vom Hals halten», sagt Lucadou. Seine These ist in wissenschaftlichen Kreisen umstritten, was er selbst als normal und wichtig erachtet. «Kritik von Fachkollegen und -kolleginnen ist zentral, denn man kann sich ja leicht irren. Es ist notwendig, dass in der Wissenschaft genau hingeschaut wird.»
Gänsehaut macht uns grösser
Was unbestritten ist, ist die Tatsache, dass viele Menschen gerne Geistergeschichten hören und sich auch ganz gerne ab und zu mal gruseln. «Sich zu gruseln und Angst zu haben, hat dem Menschen einen evolutionären Vorteil gebracht», sagt Walter von Lucadou. Das hängt damit zusammen, dass der frühe Mensch noch am ganzen Körper stark behaart war.
Wenn dann plötzlich ein Säbelzahntiger oder ein anderes gefährliches Tier vor der Höhle stand, bekam der Höhlenmensch Gänsehaut, so dass sich seine Haare aufstellten. Damit sah er grösser und bedrohlicher aus. Im besten Fall liess sich so das gefährliche Tier vertreiben. Heute treffen wir nur noch selten auf gefährliche Tiere vor unserer Haustüre – die Gänsehaut in Momenten der Angst ist uns allerdings geblieben.
Des Weiteren schütten wir eine Menge Adrenalin und andere Hormone aus, wenn wir uns gruseln. Ist die gefährliche Situation überwunden, stellt sich ein grosses Wohlgefühl ein. Darum lesen wir abends im sicheren Bett gerne mal einen Krimi, und darum können Serien wie «The Walking Dead» süchtig machen.
Mit Geisterglaube überwinden wir Angst
Seit es Menschen gibt, spielen Geister und Gespenster eine Rolle in unserem Leben. Dahinter stecke das uralte Bedürfnis, Erklärungen und Gründe für Ereignisse zu finden, die sich nicht so leicht erklären liessen, sagt Lucadou. Wenn es zum Beispiel bei den alten Römern blitzte, glaubten sie, dass der Gott Jupiter einen schlechten Tag erwischt habe.
«Wenn es heute in einem Haus spukt, dann glauben wir, es sei der Geist der toten Grossmutter. Die Ursache zu kennen, verleiht uns das Gefühl, Kontrolle zu haben», sagt Walter von Lucadou. «Dinge, die wir nicht erklären können, ängstigen uns.»
Er selbst habe schon lange keine Angst mehr vor parapsychologischen Phänomenen, sagt Lucadou. «Denn schliesslich weiss ich, was dahintersteckt. Oder glaube es zumindest zu wissen.»