Eine Stunde lang fliegt der Hubschrauber über dichten Regenwald, landet dann in einer Lichtung. Pierre Paris, Direktor der Bergbaufirma «Compagnie de la Montagne d’Or», zeigt um sich. In dem Tal zwischen bewaldeten Bergrücken wachsen keine Urwaldriesen mehr, sondern Gräser, Büsche, junge Bäume.
«Das ist Sekundärwald. Der Grund: In dieser Gegend wird schon seit 140 Jahren Gold abgebaut», sagt der Ingenieur. «Einen Grossteil unserer Anlage wollen wir in diesem Sektor errichten, um so wenig Primärwald wie möglich zu roden.»
Die bereits geschädigte Waldzone genügt allerdings nicht. Seine Firma will zusätzlich 360 Hektar unberührten Primärwald roden, räumt Paris ein. Das entspricht 500 Fussballfeldern.
85 Tonnen Gold
Die Bergbaufirma plant zwölf Jahre lang Gestein abzubauen. Sie will täglich 80‘000 Tonnen Fels sprengen, das enthaltene Erz zu Sand zermalmen und insgesamt 85 Tonnen Gold gewinnen. Ein grosser Teil davon dürfte später auch in der Schweiz verfeinert werden.
«Wir arbeiten mit Cyanidlaugung», sagt der Firmenchef, «weil wir damit 94 Prozent des Golds herauswaschen können.» Das Verfahren der Cyanidlaugung ist bei der industriellen Goldgewinnung üblich, wird aber von Umweltschützern scharf kritisiert. Der Deutsche Bundestag und das Europäische Parlament haben bereits ein Verbot der Cyanidlaugung gefordert. Bisher vergeblich.
Jobs für die Bevölkerung?
Die Bergbaufirma verspricht 750 direkte und 3000 indirekte Arbeitsplätze. Damit weckt sie bei den örtlichen Politikern grosse Hoffnungen. Die Arbeitslosigkeit in Guyana beträgt 22 Prozent, bei jungen Menschen unter 25 ist fast jeder zweite auf Jobsuche.
In der Bevölkerung regt sich trotzdem heftiger Widerstand. Über 100 Vereine haben sich zum Kollektiv «Or de question» zusammengeschlossen, was so viel heisst wie: Gold kommt nicht in Frage.
Raubbau an der Natur
Die Gegner bezeichnen die industrielle Goldmine als gestriges Projekt, das die Herausforderungen des 21. Jahrhundert verkennt. «Für uns ist es unbegreiflich, dass man im Jahr 2018 auch nur daran denken kann, einen der ältesten Primärwälder der Erde mit vielen geschützten Tier- und Pflanzenarten teilweise zu zerstören», sagt die Ethno-Biologin Marie Fleury von «Or de question».
Noch dazu seien es ausländische Investoren, die für den wertvollen Rohstoff ausser Steuern nichts bezahlen müssten.
«Wir öffnen ihnen unseren Tresor. Dabei ist es durchaus möglich, dass wir in 50 Jahren Techniken beherrschen, mit denen unsere Nachkommen unser Gold sauber schürfen können», sagt Fleury.
«Statt abzuwarten, lassen wir uns unsere Reichtümer wegnehmen. Im Gegenzug riskieren wir schlimme Umweltverschmutzungen. Welchen Gewinn haben wir davon?»
Junge drohen Sabotage an
Auch der Verein der «Jungen Ureinwohner von Guyana» kämpft gegen die Goldmine. «Dieses Projekt verletzt unser Land und unsere heiligen Stätten», sagt der Vorsitzende, Christophe Yanuwana Pierre. «Wenn die Firma keinen Rückzieher macht, werden wir alles am Fundort zerstören.»
Die französische Regierung will noch vor Jahresende entscheiden, ob sie den Bau der industriellen Goldmine zulässt oder nicht.