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Umstrittene Kabarettistin Lisa Eckhart: «Humor ist Hochmut in Reinform»

Sie ist eine Geisterfahrerin gegen den Zeitgeist. Lisa Eckhart liebt die Hochkultur, möchte gesiezt werden und bezeichnet das Binnen-I als «orthografischen Umschnalldildo». Mit nur 30 Jahren schafft es die Österreicherin, mithilfe einer elitären, unnahbar wirkenden Bühnenfigur, zu einer der erfolgreichsten und umstrittensten Kabarettistinnen im deutschsprachigen Raum zu werden.

Ihr Kabarett sieht die Österreicherin als «sadomasochistische Sitzung», in der sie Peitschenhiebe nach rechts, links und unten verteilt. Nur über ihr sei nichts mehr – ausser Humor und Kunst. Diese Haltung bringt Eckhart immer wieder Kritik und Rassismus-, Sexismus- und Antisemitismusvorwürfe ein. Gespräch mit einer, die das Spiel mit dem Bösen und dem Tabu liebt.

Lisa Eckhart

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Lisa Eckhart, geboren 1992 in der Steiermark, füllt grosse Hallen, ist Stammgast der ARD-Sendung «Nuhr im Ersten» und Preisträgerin des Salzburger Stiers. Ihre Karriere begann die Kabarettistin als Poetry-Slammerin.

SRF: Ihre Masterarbeit haben Sie zur Figur des Teufels in der Literatur geschrieben. Der Teufel hat Humor. Warum?

Lisa Eckhart: Weil ihn die Hoffnungslosigkeit treibt. Er ist ja ein armer Teufel, auch bei Goethes «Faust» etwa. Er kann im Grossen nichts verrichten und stellt's darum im Kleinen an. Das war auch immer mein Credo.

Ich bin wie der Teufel: ein Menschenfreund, der es nicht zugeben will.

Diese Einsicht der eigenen Ohnmacht macht lustig. Letztendlich verdammt der Grössenwahn eines Fausts ihn zu einer unlustigen Figur. Dem Teufel wohnt der Sprachwitz inne. Ein Streben ist ja an sich nicht schlecht, aber bei einem verrannten Streben geht irgendwann auf dem Weg der Humor verloren.

Ist der Teufel eher ein Menschenfreund oder ein Menschenfeind?

Ich würde ihn so einschätzen wie mich. Er ist ein Menschenfreund, der es aber nicht zugeben will. Er stellt ja immer, obgleich er das Böse will, immer das Gute an. Insofern ist er wohl eher der Philanthrop als die schönen Seelen, die stets das Gute wollen und, wie wir wissen, stets das Böse schaffen.

Bei Ihnen spürt man Arroganz, eine Geste von oben herab. Wenn man in die Humortheorie zurückgeht, ist dieses «von oben herab» bei Platon und bei Hobbes das Gefühl der plötzlichen Überlegenheit. Lachen wir deswegen?

Darum geht es. Deswegen bin ich immer so verwirrt, wenn man mir den Vorwurf macht, dass ich nicht nach oben trete. Ich blicke auf der Bühne empor und da ist nichts. Nichts steht in diesem Moment über mir – ausser der Kunst und dem Humor.

Lachen über alles – Lisa Eckharts Auftritt im Zürcher Kaufleuten

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Die Frage, wie weit Humor gehen kann, ist der bittere Beigeschmack nach einem Auftritt von Lisa Eckhart. Ihr Kabarett vergangene Woche im Kaufleuten in Zürich war wie gewohnt provokativ. Gelacht wurde an dem Abend viel: über das Unbehagen gegenüber Identitätspolitik, das Leben im Lockdown oder sexuelle Vorlieben.

Die Pointen selbst bestanden aus vielen historischen und intellektuellen Bezügen und – hier war das Problem – wieder einmal aus rassistischen und sexistischen Darstellungen. Verkaufen sich Witze über Chinesen, Inder, Frauen, Schwarze und Juden so gut, oder warum muss Eckhart immer wieder darauf zurückgreifen?

Sie selbst beteuert, in ihren Witzen nicht Rassismus und Antisemitismus zu reproduzieren, sondern diese vielmehr zu brechen. Ob diese Selbsteinschätzung stimmt, bleibt fraglich. Auch wenn Eckhart zu Beginn des Abends darauf verweist, dass sie am Ende der Vorstellung durch das Lachen des Publikums mehr über dieses wisse als umgekehrt, wird trotzdem über alles herzlich gelacht.

Ob das Publikum eine dahinterliegende Meta-Ebene nun verstanden hat oder nicht – schlussendlich ist dies, so scheint es, Lisa Eckhart auch egal. (Susanne Herresthal)

Humor ist Hybris in Reinform. Darum geht es. Man wird immer fragen: «Worüber lachst du?». Niemand wird je unter etwas lachen. Es heisst: «Worunter leidest du?». Das ist ja gerade das Gebot der Stunde. Nur Humor kann nicht leiden, was nicht heisst, dass er die Verzweiflung nicht kennt. Wir lachen ja nicht umsonst Tränen.

Sie haben ein Kind. Was war bei ihm das erste humoristische Lachen?

Es war die Überraschung. Ich fand es sehr interessant zu sehen, dass gewisse humoristische Kategorien angelegt sein müssen.

Er hat über Dinge gelacht, bei denen ich nicht verstanden habe, wie er das ohne satirische Vorbildung verstehen kann.  Wenn ich Grimassen schneide, beispielsweise – ich könnte ja auch einen Herzinfarkt haben und es wäre wahnsinnig sadistisch von ihm, zu lachen. 

Aber er versteht sofort, was Humor und was Ernst ist. Eine Fähigkeit, die mein ein paar Monate altes Kind beherrscht, aber viele Zeitgenossen nicht mehr. 

Das Gespräch führte Yves Bossart.

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 12.6.2022, 12:00 Uhr ; 

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