Im Frühjahr trug eine Linken-Abgeordnete die Kufiya zu einer Sitzung im Deutschen Bundestag. Konservative Politiker forderten umgehend ein Verbot im Parlament. Berliner Schulen dürfen bereits seit 2023 das Tragen von Kufiyas und ähnlichen Symbolen untersagen, um den «Schulfrieden» zu wahren. Unter Protest der Gegner eines solchen Verbots, die darauf pochen, dass das Kufiya-Tragen ein legitimes Zeichen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk sei.
Hessens Antisemitismusbeauftragter möchte die Kufiya als «Symbol für Israel-Hass» nun am liebsten ganz aus dem öffentlichen Raum verbieten. Warum ist die Kufiya ein solch rotes Tuch?
Kufiya als Symbol des Widerstandes?
Angefangen hat die Kufiya als einfaches Tuch arabischer Bauern und Beduinen im Nahen Osten. Sie trugen es zum Schutz gegen die sengende Sonne.
Politisch wurde die Kufiya dann erstmals anfangs des 20. Jahrhundert: Als arabische Nationalisten gegen die osmanische Herrschaft aufbegehrten, trugen sie die Kufiya. 1916 war das. Rund 20 Jahre später rebellierten arabische Nationalisten auf dem Gebiet des heutigen Israel gegen das britische Mandat und die jüdische Zuwanderung. Auch ihr Markenzeichen: Die Kufiya.
Das Tuch wurde zum Symbol des Widerstandes – des gewaltsamen Widerstandes gegen Fremdbestimmung.
Der «Arafat»-Schal
Anschliessend wurde es einige Jahrzehnte ruhig um die Kufiya. Bis sie in den 1960er-Jahren international in Erscheinung trat – und definitiv zum «Palästinenser»-Schal wurde: Durch Yassir Arafat, der stets eine Kufiya trug. Arafat, Anführer der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Held des Widerstandes für die einen, Terrorist für die anderen.
Und durch Leila Khaled, Freiheitskämpferin und Terroristin, die mit Palästinenserschal und Gewehr vor einem von ihr entführten Flugzeug posierte. Das Bild ging um die Welt.
Der Palästinenserschal als Symbol des Terrorismus oder des Befreiungskampfes? In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Kufiya bis heute.
Zeichen für Anti-Imperialismus
In den 1960er-Jahren schaffte die Kufiya dann den Sprung nach Europa und in die USA: Die 68er-Bewegung adoptierte das Palästinensertuch – als Zeichen der Solidarität mit dem Land. Aber auch als Symbol ihrer anti-imperialistischen Gesinnung. So tauchte die Kufiya an Protesten gegen den Vietnamkrieg ebenso auf wie bei den Jugendunruhen in Zürich in den 1980er-Jahren.
Auch diese Mischung – Solidarität mit den entrechteten Palästinensern und Kritik an der Politik der eigenen, europäischen oder US-amerikanischen Regierung – zeigt sich bis heute an Demonstrationen.
Plötzlich Mode
In den 1990er-Jahren veränderte sich der Konflikt im Nahen Osten – und damit auch die Bedeutung des Palästinenserschals. Zur Zeit der Osloer Friedensverträge wurde die Kufiya zum Symbol des Wunsches nach Frieden in Israel/Palästina.
International wurde es in den 2000er-Jahren eher ruhig um den Palästinenserschal. So ruhig, dass er 2008 gar gänzlich unpolitisch zum Modeaccessoire mutierte.
Mit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem folgenden Krieg im Gaza-Streifen ist die Kufiya wieder politisches Symbol: Für die Solidarität mit den Palästinensern auf der einen Seite. Als Zeichen für eine anti-israelische und bisweilen antisemitische Haltung auf der anderen.