Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Umstrittenes Kleidungsstück Palästinensertuch und Politik: Die Kufyia im Wandel der Zeit

Sie ist allgegenwärtig an Pro Palästina-Demonstrationen: die Kufyia. Doch nicht nur dort. Nun ist in Deutschland eine Diskussion entbrannt, ob das Tragen des Palästinenserschales antisemitisch sei. Die Geschichte eines polarisierenden Tuchs.

Im Frühjahr trug eine Linken-Abgeordnete die Kufyia zu einer Sitzung im Deutschen Bundestag. Konservative Politiker forderten umgehend ein Verbot im Parlament. Berliner Schulen dürfen bereits seit 2023 das Tragen von Kufiyas und ähnlichen Symbolen untersagen, um den «Schulfrieden» zu wahren. Unter Protest der Gegner eines solchen Verbots, die darauf pochen, dass das Kufyia-Tragen ein legitimes Zeichen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk sei.

Hessens Antisemitismusbeauftragter möchte die Kufiya als «Symbol für Israel-Hass» nun am liebsten ganz aus dem öffentlichen Raum verbieten. Warum ist die Kufiya ein solch rotes Tuch?

Kufyia als Symbol des Widerstandes?

Angefangen hat die Kufyia als einfaches Tuch arabischer Bauern und Beduinen im Nahen Osten. Sie trugen es zum Schutz gegen die sengende Sonne.

Politisch wurde die Kufyia dann erstmals anfangs des 20. Jahrhundert: Als arabische Nationalisten gegen die osmanische Herrschaft aufbegehrten, trugen sie die Kufyia. 1916 war das. Rund 20 Jahre später rebellierten arabische Nationalisten auf dem Gebiet des heutigen Israel gegen das britische Mandat und die jüdische Zuwanderung. Auch ihr Markenzeichen: Die Kufyia.

Mann mit traditionellem Kopftuch vor dunklem Hintergrund.
Legende: Zu Weltruhm verholfen hat der Kufyia der frühere Anführer der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Yassir Arafat (1929-2004). Imago/Allstar

Das Tuch wurde zum Symbol des Widerstandes – des gewaltsamen Widerstandes gegen Fremdbestimmung.

Der «Arafat»-Schal

Anschliessend wurde es einige Jahrzehnte ruhig um die Kufyia. Bis sie in den 1960er-Jahren international in Erscheinung trat – und definitiv zum «Palästinenser»-Schal wurde: Durch Yassir Arafat, der stets eine Kufyia trug. Arafat, Anführer der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Held des Widerstandes für die einen, Terrorist für die anderen.

Und durch Leila Khaled, Freiheitskämpferin und Terroristin, die mit Palästinenserschal und Gewehr vor einem von ihr entführten Flugzeug posierte. Das Bild ging um die Welt.

Der Palästinenserschal als Symbol des Terrorismus oder des Befreiungskampfes? In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Kufyia bis heute.

Zeichen für Anti-Imperialismus

In den 1960er-Jahren schaffte die Kufyia dann den Sprung nach Europa und in die USA: Die 68er-Bewegung adoptierte das Palästinensertuch – als Zeichen der Solidarität mit dem Land. Aber auch als Symbol ihrer anti-imperialistischen Gesinnung. So tauchte die Kufyia an Protesten gegen den Vietnamkrieg ebenso auf wie bei den Jugendunruhen in Zürich in den 1980er-Jahren.

Auch diese Mischung – Solidarität mit den entrechteten Palästinensern und Kritik an der Politik der eigenen, europäischen oder US-amerikanischen Regierung – zeigt sich bis heute an Demonstrationen.

Plötzlich Mode

In den 1990er-Jahren veränderte sich der Konflikt im Nahen Osten – und damit auch die Bedeutung des Palästinenserschals. Zur Zeit der Osloer Friedensverträge wurde die Kufyia zum Symbol des Wunsches nach Frieden in Israel/Palästina.

International wurde es in den 2000er-Jahren eher ruhig um den Palästinenserschal. So ruhig, dass er 2008 gar gänzlich unpolitisch zum Modeaccessoire mutierte.

Model auf dem Laufsteg in grauem Schal und Pullover mit Jesusbild.
Legende: Mitte der 2000er-Jahre schafft es die Kufiyah als Modeaccessoire auf den Laufsteg, wie hier in der Kreation des italienischen Designers Alexandro Palombo. Keystone/EPA Photo/Ansa/Ferraro

Mit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem folgenden Krieg im Gaza-Streifen ist die Kufyia wieder politisches Symbol: Für die Solidarität mit den Palästinensern auf der einen Seite. Als Zeichen für eine anti-israelische und bisweilen antisemitische Haltung auf der anderen.

Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 30.9.2025, 6:54 Uhr

Meistgelesene Artikel