Wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollen nun auch schwere Umweltverschmutzungen vor das Weltgericht gebracht werden: Das ist die Idee einer Gruppe von Juristinnen und Aktivisten.
Sie möchten Umweltzerstörung als Straftatbestand definieren – als Ökozid –, sodass er vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verfolgt werden kann. Die Einführung eines Ökozids wäre allerdings nicht ganz unproblematisch, erklärt die Rechtswissenschaftlerin Astrid Epiney.
SRF: Vor dem internationalen Strafgericht stehen heute vor allem Kriegsverbrecher. Wäre es plausibel, dort auch schweren Umweltsünden den Prozess zu machen?
Astrid Epiney: Darüber kann man selbstverständlich nachdenken. Allerdings dürfte es ein paar Schwierigkeiten geben, das zu verwirklichen. Da gehört zunächst mal dazu: Was ist eigentlich ein Ökozid? Man müsste zum Beispiel sehr genau umschreiben: Ab wieviel Liter verschüttetem Öl im Meer kann man von einem Ökozid sprechen?
Dann war das Hauptproblem bisher quasi das Umreissen einer genauen Definition, was ein Ökozid ist?
Ja und nein. Der Internationale Strafgerichtshof beruht auf einem völkerrechtlichen Vertrag. Es bräuchte also die Bereitschaft der beteiligten Staaten, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu ändern.
Ausserdem gibt es derzeit nur in sehr beschränkten Fällen eine Möglichkeit, vor dem Internationalen Strafgerichtshof Einzeltäter zu verfolgen. Es ist sicherlich nicht die Idee, dass man diese Tatbestände endlos ausweitet. Zumal es bei der Verfolgung selbst und bei der bei den Prozessen vor dem Internationalen Strafgerichtshof immer grosse auch Beweisschwierigkeiten gibt.
Durch die Einführung des Ökozids besteht die Gefahr, dass der Konsens hinter dem Internationalen Strafgerichtshof schwächer wird.
Sind denn alle Staaten der Welt dabei am am Internationalen Strafgerichtshof?
Nein, es sind zahlreiche Staaten nicht dabei, unter anderem die USA. Der Internationale Strafgerichtshof beruht auf einem Konsens einer Staatengemeinschaft.
Die Bereitschaft der Staaten, dass man für besonders schwere Delikte gegen Menschen eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit einzelner vorsieht, ist eine Errungenschaft. Diese geht auf die Nürnberger Prozesse und auf die Tokioter Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg zurück und beruht auf der ganz spezifischen Eigenarten dieser sehr schweren Straf- und Tatbestände.
Nehmen wir mal an, eine Gleichstellung von Ökozid und Genozid wird anerkannt. Fänden Sie das sinnvoll?
Nach meinem Dafürhalten besteht die Gefahr, dass der Konsens hinter dem Internationalen Strafgerichtshof schwächer wird, wenn man die Straftatbestände zu sehr ausweitet. Und dass die Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung immer grösser werden. Damit könnte das eigentliche Anliegen – nämlich diese ganz schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur strafrechtlichen Verantwortung ziehen – abgeschwächt werden.