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Was sagt die neue Studie über Zahl der Abtreibungen weltweit?
Aus Kultur-Aktualität vom 27.07.2020. Bild: imago images / IPON
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Ungewollte Schwangerschaften Wo Abtreibung verboten ist, wird mehr abgetrieben

Eine Studie zeigt: Je restriktiver die Abtreibungspolitik eines Landes, desto mehr wird abgetrieben. Warum ist das so?

Das US-amerikanische Guttmacher Institute hat untersucht, wie sich die Zahl der ungewollten Schwangerschaften und Abtreibungen weltweit in den vergangenen 30 Jahren entwickelt hat.

Die gute Nachricht: Der prozentuale Anteil an Frauen, die ungewollt schwanger werden, ist weltweit gesunken. Die heikle Nachricht: Immer mehr dieser ungewollten Schwangerschaften werden abgetrieben.

Wo Abtreibung verboten ist, wird mehr abgetrieben

Überraschenderweise steigt der Anteil an Abtreibungen ausgerechnet in den Ländern, in denen Abtreibung verboten oder gesetzlich stark eingeschränkt sind.

Kate Molesworth, Expertin für Reproduktionsmedizin beim Schweizerischen Tropen und Public Health Institut, sagt: Das Ergebnis der Studie sei ein Alarmsignal.

Es zeige, wie verzweifelt die Frauen sind: «Sie treiben ab, obwohl sie dafür bestraft werden können, obwohl sie viel Geld für dieses illegale Geschäft zahlen müssen, obwohl sie wissen, dass sie riskieren, sich bei der Abtreibung zu infizieren oder sogar zu sterben.»

In Ländern mit restriktiven Abtreibungsgesetzen werden Frauen häufiger ungewollt schwanger. Denn in diesen Ländern ist es schwierig, an Informationen über Verhütung und Familienplanung zu kommen – und noch schwieriger, diese Verhütungsmittel zu besorgen.

Dazu kommt: Frauen sind dort oft sexuell weniger selbstbestimmt und werden von ihren Partnern zum Geschlechtsverkehr gedrängt oder gezwungen.

Verheerende Folgen

Die Folgen solcher ungewollten Schwangerschaften sind oft verheerend. Gerade in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, erklärt Kate Molesworth: «Ein Kind mehr kann dafür sorgen, dass die Familie in Armut gefangen bleibt, dass bereits vorhandene Kinder nicht zur Schule gehen können, weil sie schon früh arbeiten müssen, und dass die Kinder unterernährt sind und krank.»

Dass die Zahl der Abtreibungen in Ländern mit restriktiver Gesetzgebung in den vergangenen 30 Jahren gestiegen ist, liegt laut Kate Molesworth unter anderem an bewaffneten Konflikten, ökonomischen Krisen und Naturkatastrophen.

Auch reiche Frauen treiben ab

Die Studie des US-amerikanischen Guttmacher Institute zeigt allerdings noch etwas anderes: Der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche ist nicht nur in armen Ländern gestiegen, sondern auch in reichen, entwickelten Staaten mit einem guten Bildungssystem gab es mehr Abtreibungen – wenn sie verboten oder stark eingeschränkt sind.

In restriktiven Ländern spiele es keine Rolle, ob die Einwohner reich oder arm seien, erklärt Molesworth: «Wenn die Leute keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, wenn Frauen abhängig sind und nicht in der Lage, über ihre eigene Sexualität zu bestimmen, dann kommt es weiterhin zu ungewollten Schwangerschaften und die Nachfrage nach hochriskanten Abtreibungen ist höher.»

Restriktive Politik bewirkt das Gegenteil

In Ländern mit liberaleren Abtreibungsgesetzen dagegen ist der Anteil an Abtreibungen gesunken. Für die Reproduktionswissenschaftlerin Kate Molesworth zeigt die Studie deshalb ganz deutlich: «Wenn wir Abtreibungen reduzieren wollen, hat eine restriktive Politik genau den gegenteiligen Effekt. Das zeigen die Daten eindeutig. Restriktionen stoppen Abtreibungen nicht, sondern sie bringen Frauen in gefährliche Situationen.»

Um Abtreibungen zu reduzieren, müsse die Politik Frauen in ihrer Sexualität und der Familienplanung unterstützen. Staaten sollten dafür sorgen, dass Verhütungsmittel leicht verfügbar sind und, wenn nötig, sichere und legale Abtreibungen ermöglichen, so Molesworth.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 27.7.2020, 17:20 Uhr;

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