Er habe die Gefangenen heimgebracht wie einst König Kyros: Diese Parallele zur biblischen Heilsgeschichte zog der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu in seiner Dankesrede für Donald Trump am Tag der Freilassung der letzten noch lebenden israelischen Geiseln.
Auch evangelikale Anhänger vergleichen ihren US-Präsidenten gern mit dem Perserkönig Kyros aus dem 6. Jahrhundert vor Christus.
Sie zitieren das biblische Buch Esra: Dieses erzählt vom Ende der Gefangenschaft der Israeliten in Babylon und von ihrer Heimkehr nach Zion, nach Jerusalem. Ermöglicht hatte das Kyros im Jahr 539 v. Chr..
Laut Bibel befahl König Kyros auch den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels. Alle dem Kyros unterworfenen Völker sollten die Israeliten unterstützen, heisst es bei Esra.
Auch die «Chroniken» in der Bibel berichten davon. Im Buch des Propheten Jesaja wird Kyros sogar als «Gesalbter» des Gottes Israels, also als «Messias» bezeichnet.
So feiern evangelikale Anhängerinnen und Anhänger Donald Trump nun als neuen König Kyros.
Den Namen Kyros verbanden Jüdinnen und Juden in ihrer langen Verfolgungsgeschichte immer wieder mit der Hoffnung, dass einmal ein nicht-israelitischer, also nicht-jüdischer Herrscher komme und das jüdische Volk rettet. Das kam in der 3000-jährigen jüdischen Geschichte höchst selten vor.
Die Hoffnungen auf einen nicht-jüdischen Retter wurden vielfach enttäuscht: von Alexander dem Grossen ebenso wie vom spanischen oder britischen König.
Hoffnung auf Tempelwiederaufbau
Aktuell wird nun also das Prädikat des Retterkönigs auf den US-Präsidenten angewandt. Allerdings fast ausschliesslich von Seiten US-Evangelikaler, christlicher Zionisten und der sogenannten «nationalreligiösen» Siedlerbewegung in Israel. Diese ist durch rechtsextreme Minister wie Itamar Ben-Gvir in der Netanjahu-Regierung vertreten.
Im Segment sogenannter christlicher Zionisten wie auch in der nationalistisch religiösen Siedlerbewegung regen sich zudem Hoffnungen auf einen Wiederaufbau des Tempels.
Eine «Bewegung des 3. Tempels» sammelt schon seit Jahrzehnten Geld für den Tempelwiederaufbau, auch bei Christen in den USA. Die Bewegung züchtet sogar Opferschafe und trainiert jüdische Priester für einen Tempeldienst, der nach 2000 Jahren Unterbruch wieder aufgenommen werden möchte.
Besondere Gemeinsamkeit
Hoch brisant in diesem Zusammenhang sind Minister Ben-Gvirs Besuche und Beten auf dem Tempelberg in Jerusalem. Das ist nicht nur illegal und provoziert muslimische Gläubige. Das markiert auch einen realpolitischen Besitzanspruch, religiös verbrämt.
Die absolute Mehrheit in Christentum und Judentum lehnen solche mythisch-politischen Verknüpfungen kategorisch ab. Für orthodoxe Rabbiner ist das Betreten des Tempelbergs sogar Sünde. Denn das würde Gottes Handeln vorgreifen. Nur Gott wisse, wann der Messias komme und wer er sei.
Zum Kyros-Vergleich gibt die Bibelwissenschaft auch noch Folgendes zu bedenken: Der Perserkönig hielt die Israeliten wie alle anderen unterworfenen Völker als Vasallen. Als solche mussten sie Kriegsdienst und Tribute leisten, der Weltmacht loyal bleiben und natürlich: hohe Steuern zahlen.
Da drängt sich der Vergleich mit Donald Trump vielleicht doch auf?