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Gesellschaft & Religion Verletzlich wirkt er, der Soldat im Ersten Weltkrieg

Wie hat sich das Bild des Kriegers im Laufe der Geschichte verändert? Wofür stehen Krieger heute? Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Soldaten professionalisiert. Er ist erschreckt und verletzlich – mit der modernen Kriegsführung verlor das Heldenhafte. Herfried Münkler analysiert.

Das Heldenhafte wird aus den Bildern vom modernen Soldaten getilgt, wie in der Graphik-Novel «Grabenkrieg» von Jaques Tardi. Französische Soldaten stehen unter einer Gaswolke. Sie haben, zum Zeichen ihrer Kampfbereitschaft, das Bajonett aufgepflanzt, stehen aber etwas erschrocken da.

Das Bild des Kriegers

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Der Krieger: Wie hat sich das Bild des Kriegers im Laufe der Geschichte verändert? Wofür stehen diese Krieger heute?

Sowohl die französischen Soldaten wie auch die Deutschen tragen Gasmasken, wodurch sie wenig heldenhaft erscheinen. Die Gasmaske verändert die menschliche Physiognomie: Die grossen Augenringe kennzeichnen die Gesichter als erschreckt, entsetzt. Und der Schnorchel vorne dran gleicht einem Rüssel.

Verletzlichkeit statt Kampfbereitschaft

Die Kampfbereitschaft kommt so gar nicht mehr zum Ausdruck, es ist eher eine unendliche Verletzlichkeit. Das hat natürlich auch etwas mit der Art der Kriegführung zu tun:

Erstens sind es Massen, die gegeneinander antreten. Zweitens, es werden häufig Waffensysteme eingesetzt, bei denen nicht mehr der Kampf Mann gegen Mann stattfindet, sondern in denen Menschen Maschinen bedienen – sie sind sozusagen Arbeiter. Es kommt darauf an, dass sie die Technik des Arbeitsgerätes begreifen. Das ist wichtiger, als dass sie Helden im herkömmlichen Sinne sind.

Unterschied zwischen Krieger und Soldat?

Ein Krieger ist jemand, der auf eigene Rechnung und der Ehre willen kämpft, wie Achill, Ajax, Siegfried. Wenn er an materiellen Dingen interessiert ist, dann an Beute – als Ausdruck des Ruhms. Im Wort «Soldat» ist das Wort «Soll» enthalten. Bei ihm ist der Krieg ein Beruf, eine Tätigkeit: Er bekommt ein Einkommen, wird besoldet. Und das wird er nicht nur, wenn er kämpft, sondern auch in Zeiten des Friedens. Die alten Krieger mussten losziehen, um Krieger bleiben zu können, während der Soldat ein Soldat ist, unabhängig davon, ob er ins Feld zieht oder sein Leben lang Garnisonsdienst leistet.

Und der Soldat tritt nicht als Einzelner in Erscheinung, sondern in Formation. Und das seit dem 15. Jahrhundert. Wenn sich da ein Einzelner hervortun will, dann stört der eher und gefährdet den Verband.

Herfried Münkler

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Als Politologe lehrt Herfried Münkler an der Humboldt-Universität Berlin. Er veröffentlichte mehrere Bücher zur Theorie der «neuen Kriege». Zuletzt erschien «Der Große Krieg. Die Welt 1914 und 1918».

In der Antike ein Abbild des Staates

In der Antike, bei den Griechen, bei den Römern ist am Soldaten abzulesen, dass die Heere auch ein Stück weit Abbild des Staates waren. Die Perser funktionieren anders, aber die Athener, die ihnen beim Marathon 490 gegenübertreten, sind die Bürger, die ihre Stadt, ihre «polis», also auch die Verfassung des Zusammenlebens verteidigen.

Und das tun sie auch, indem sie den Zusammenhalt wahren: Leib an Leib, Schild an Schild kämpfen. Das gilt lange Zeit für den Aufstieg Roms, eigentlich bis zu Marius, der dann mit den Heeresreformen an die Stelle des Bürgeraufgebots die Berufsarmee setzt, die sehr viel professioneller bestellt ist. Das sind die beiden Typen, die wir schon in der Antike haben:

Der Bürgersoldat, eher im Sinne einer Miliz, die aufgeboten werden kann, die eigentlich aber nur defensiv agieren kann. Und auf der anderen Seite die Professionalisierung des Kriegers zu einem Soldaten, der buchstäblich vom Krieg lebt; der auch ein Interesse daran hat, dass Krieg ist, denn sonst ist er ja beschäftigungslos.

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