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Gesellschaft & Religion «Viele Grüsse vom südlichsten Postamt der Welt»

Vor hundert Jahren besiedelten Walfänger die antarktische Bucht von Port Lockroy. Heute verschicken hier britische Denkmalpfleger Postkarten in alle Welt. Port Lockroy ist eine winzige Ortschaft in der unwirtlichen antarktischen Eiswüste – doch sein Postamt macht es zum beliebten Touristenziel.

Immer, wenn mal wieder ein Kreuzfahrtschiff am Ausgang der Bucht auftaucht, kommt Leben in die kleine Station auf Wiencke Island. Die Insel ist der Peninsula vorgelagert, einem Ausläufer des antarktischen Festlands. Hier hat der sechste Kontinent seine geringste Entfernung vom Rest der Welt. Nur zwei Tagesreisen mit dem Schiff über die Drake Passage entfernt liegt der Südzipfel Argentiniens.

Vier junge Frauen und Männer, die den antarktischen Sommer in Port Lockroy verbringen, bereiten das kleine Postamt auf einen kurzen, aber heftigen Besuch vor. Denn hunderte Urlauber sind vor allem aus einem Grund gekommen: Sie wollen von Position 64 Grad, 49 Minuten südlicher Breite und 63 Grad, 30 Minuten westlicher Länge einen Brief, eine Postkarte an Menschen in aller Welt verschicken – einen Gruss vom südlichsten Postamt der Erde.

Vom Walfang zum Tourismus

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wagten sich nur wenige Menschen in die Eiswüste der Antarktis vor. Abenteurer, die sich gerne als Forscher verbrämten, Männer wie Roald Amundsen, Robert Falcon Scott, Ernest Shackleton, die den Südpol erobern und die Natur bezwingen wollten. Ausser diesen Abenteurern kamen nur Walfänger hierher. Auf der Jagd nach Meeressäugers in der Unwirtlichkeit des Südpolarmeeres brauchten sie eine Basis, auf der sie rasten, ihre Schiffe reparieren und die getöteten Tiere verarbeiten konnten.

1904 nach einem französischen Politiker benannt, diente Port Lockroy viele Jahre diesem Zweck. Im Zweiten Weltkrieg errichtete Grossbritannien hier einen Aussenposten, um Präsenz gegenüber Argentinien und Chile zu zeigen. Danach geriet Port Lockroy in Vergessenheit.

Viele wollen hier ehrenamtlich arbeiten

Erst 1996 wurde die halb verfallene Station unter Denkmalschutz des «UK Antarctic Heritage Trust» (UKAHT) gestellt. Die britische Wohlfahrtsorganisation pflegt seitdem das Ensemble aus mehreren Holzhütten. Jedes Jahr werden aus einer langen Liste von Bewerbern vier Freiwillige ausgewählt, die dann von November bis März in Port Lockroy wohnen und arbeiten werden.

Die Briten, für spleenige Ideen berühmt, sahen das touristische Potenzial des Ortes sofort. Im Hintergrund gewaltige Gletscher, Treibeis vor der Tür, Tausende Eselspinguine, die schnatternd auf den Felsen herumlungern – von hier Urlaubsgrüsse zu verschicken würde ein exklusives Vergnügen sein. Nun gibt es einen roten Postkasten der Royal Mail im Eingang zum Haupthaus, der immer geleert wird, wenn wieder ein Schiff anlegt und die Post mitnimmt zurück in die Zivilisation.

Forschen und archivieren

Eine Marke, auf der eine Bucht in der Antarktis zu sehen ist.
Legende: Mit dieser Marke werden Grüsse in alle Welt verschickt. SRF/Michael Marek

Es gibt Briefmarken mit Bildern Port Lockroys und Pinguin-Stempel. Etwa 70'000 Postkarten werden jedes Jahr versandt. Ausserdem finden Besucher in dem nur 30 Quadratmeter grossen Raum mit dem Posttresen jede Menge Andenken mit dem Aufdruck «64°49'S» und «63°30'W».

Der Alltag der jungen Besatzung Port Lockroys sieht jedoch anders aus. Während der fünf Monate widmet sie sich vor allem den Denkmalschutzaufgaben des UKAHT. Die Holzhäuser müssen instand gehalten werden, die Inneneinrichtung repariert, Material archiviert. Denn Port Lockroy ist heute auch und vor allem ein Museum. Es soll Besuchern zeigen, wie es sich damals anfühlte, Monate und Jahre lang im ewigen Eis zu verbringen.

Bei den Arbeiten kam Skurriles zutage. Unter alten Tapeten entdeckte man handgemalte Wandbilder von frühen Hollywood-Ikonen mit üppigen Kurven, Elizabeth Taylor, Jayne Mansfield und Doris Day. Die Bilder sind zwar ohne nennenswerten künstlerischen Wert. Aber sie erzählen umso mehr davon, wonach sich die Männer hier sehnten.

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