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Visionäre von Silicon Valley Das sind die Gurus von Mark Zuckerberg und Konsorten

Think big! So lautet das Motto des Silicon Valley. Egal ob Steve Jobs, Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg: Die Anführer der digitalen Revolution verkörpern ein radikales, visionäres Denken.

Aber wo liegen die Wurzeln dieses Denkens? Wer sind die Vordenker der Tech-Visionäre? Adrian Daub, Literatur-Professor an der Universität Stanford, sieht drei Intellektuelle, die das Denken der Tech-Gurus prägen.

Adrian Daub

Literaturwissenschaftler

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Adrian Daub ist Professor für vergleichende Literaturwissenschaft und Germanistik an der Universität Stanford. In seinem Buch «Was das Valley denken nennt. Über die Ideologie der Techbranche» untersucht er das Denken im Silicon Valley, seine Ursprünge und Mythen.

Ayn Rand – Das Genie braucht keinen Staat

Die Literatin und Philosophin Ayn Rand ist für viele einflussreiche Figuren im Silicon Valley eine Art Prophetin. Der Apple-Gründer Steve Jobs berief sich auf sie, ebenso der Paypal-Gründer und Tech-Investor Peter Thiel, aber auch Travis Kalanick, der ehemalige CEO von Uber. Ayn Rands Buch «Atlas Shrugged» (1957) war lange Zeit das meistverkaufte Buch in den USA, gleich nach der Bibel.

Die Autorin plädiert in ihren Romanen und Abhandlungen für den Egoismus freier Individuen und wettert gegen den Staat. Laut Rand braucht es weder Steuern noch Arbeitslosengeld. Ein starker Staat verhindere die freie Entfaltung des Individuums, meinte die im Kommunismus aufgewachsene russische Jüdin, die später in die USA emigrierte.

«Be your own boss». Mach dein Ding. Lass dir von niemandem etwas vorschreiben. Diese libertäre und elitäre Haltung ist im Silicon Valley weit verbreitet und speist sich oft aus dem Denken von Ayn Rand, einer Autorin, die vorzugsweise bereits im pubertären Alter gelesen wird.

Dass es im Silicon Valley zum guten Ton gehört, ein Studium abgebrochen und etablierten Institutionen den Rücken gekehrt zu haben – auch daran ist vermutlich Ayn Rand schuld.

Marshall McLuhan – Die Plattform macht's

«The medium is the message». Wer kennt ihn nicht, den so berühmten wie rätselhaften Spruch des kanadischen Medientheoretikers Marshall McLuhan. Bereits die kalifornischen Hippies der 1960er-Jahre zitierten McLuhan und hofften, neue Medien würden ein neues Bewusstsein schaffen.

Denn das war ja eine der Kernbotschaften des intellektuellen Popstars: Neue Technologien und Medien würden die Gesellschaft viel stärker verändern als das, was in diesen Medien berichtet und mitgeteilt wird.

Der Buchdruck hat die Gesellschaft radikal verändert, ebenso wie das Internet. Facebook und WhatsApp verändern unsere Routinen und unser Denken – ganz egal, was wir auf diesen Kanälen kommunizieren. Die Plattform ist das eigentlich Revolutionäre, nicht der Inhalt. Diese Botschaft haben die Tech-Gurus im Silicon Valley verstanden und verinnerlicht.

René Girard – Wir wollen, was andere wollen

René Girard hat den sozialen Code des Menschen geknackt. Zumindest denken das seine Anhänger. Der 2015 verstorbene französische Kulturwissenschaftler und Professor in Stanford, René Girard, galt im Silicon Valley lange als Geheimtipp. Heute hat sein Denken einen beträchtlichen Einfluss.

Grund dafür ist der mächtige Tech-Investor Peter Thiel, der früh von Girards Denken fasziniert war, insbesondere von seiner «mimetischen Theorie».

Diese Theorie besagt, dass jedes Begehren des Menschen ein nachgeahmtes Begehren ist: Wir wollen etwas, weil andere es wollen. Das gilt für luxuriöse Autos wie für potenzielle Sexualpartner. Unsere Wünsche sind Kopien der Wünsche der anderen.

Soziale Netzwerke wie Facebook oder Empfehlungsplattformen wie Amazon haben diese Einsicht längst in Geld umgewandelt – denken wir an den Like-Button oder an bekannte Sätze wie: «Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …» Dass dahinter ein französischer Professor steht, wissen die wenigsten.

Sternstunde Philosophie, SRF1, 29.8.2021, 12:00 Uhr

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