Das Versenden von Weihnachtsgrüssen, auf denen die ganze Familie lächelnd vor einem üppig geschmückten Baum posiert, ist eine amerikanische Tradition. Das Posieren mit Lächeln, Baum und Gewehren eher nicht. Diese Erfahrung machen jetzt jedenfalls zwei US-Abgeordnete.
Sie hatten auf den sozialen Medien Festtags-Hallelujas gepostet, die sie samt Kindern waffentragend in Festtagslaune zeigen, begleitet vom frommen Wunsch, Santa Claus möge ihnen mehr Munition bringen.
Was vermutlich als politischer Werbegag geplant war, hat die Mehrheit der Bevölkerung schockiert. Im Getwitter, das darauf folgte, stellten manche die betreffenden Fotos neben solche von Terroristen.
Kurz nach Michigan-Schiesserei
Ganz besonders kritisieren viele, dass diese Darstellungen die Verantwortung der Eltern missachte, gerade was den Umgang von Jugendlichen mit Waffen betrifft. Als wäre es kein Problem, Kindern ein halbautomatisches Gewehr in die Hände zu drücken, kaum haben sie den Schnuller weggelegt.
Bemerkenswert ist allerdings, dass die Welle der Empörung erst nach der Schiesserei so richtig ins Rollen kam, die letzte Woche an einer Schule in Michigan stattfand .
Da erschoss ein 15-Jähriger vier Mitschüler. In diesem Fall sind inzwischen auch dessen Eltern der fahrlässigen Tötung angeklagt. Sie liessen Waffen offen herumliegen und hatten ihrem Sohn die Tatwaffe sogar wenige Tage vor der Schiesserei gekauft.
Das Recht, Waffen zu tragen ist vielen Amerikanerinnen und Amerikanern heilig. Politische Karrieren gelingen und scheitern deswegen. Dabei geht es jedoch um mehr als um Schiesseisenromantik und Wild-West-Nostalgie. Es geht um den amerikanischen Freiheitsbegriff.
Tief verankerter Umgang mit Waffen
Das Recht des Individuums, zu tun und zu lassen ,was er oder sie will, hat Vorrang vor kollektiver Verantwortung. Gemeinsinn steht schnell unter Kommunismusverdacht. Und sobald der Staat versucht, den Bürgern ihr Lieblingsspielzeug wegzunehmen – vier von zehn Hausalten besitzen Feuerwaffen – fühlen sie sich persönlich angegriffen.
Buchstäblich: Einer neuen Studie zufolge fürchten 63 Prozent der Befragten um ihr Hab und Gut. Sie tun sich Waffen zu, um sich selbst zu schützen. Und sie sind überzeugt davon, dass mehr Waffen die Welt sicherer machen, nicht unsicherer.
Ich, das Meine und die Meinen – darum kreist das amerikanische Selbstverständnis. Auch am Fest des Friedens und der Versöhnung, mit Girlanden und Gewehren.