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Was wünschen wir uns? Ein Besuch an der «Tankstelle» der guten Wünsche

Liebe, eine Katze oder doch ein Kaffee in Manhattan? Ein Baum in Basel ist voller Wünsche auf Zetteln. Darauf liest man Berührendes, Befreiendes und Kurioses.

Der Wunschbaum in der Basler Altstadt ist jetzt schon voll mit weissen Zettelchen. Trotzdem bleiben immer wieder Menschen stehen und nehmen sich einen Moment Zeit, um einen Wunsch aufzuhängen. «Ich habe mir ein ganz schönes und erfolgreiches, gesundes und spannendes Leben mit meiner grossen Liebe gewünscht», sagt eine Passantin. «Ist doch schön», sagt die grosse Liebe neben ihr und lacht.

Liebe taucht auf den Wunschzettel immer wieder auf. Und natürlich Corona. Das soll «bitteschön weggehen».

Wunschzettel zu Liebe und Corona

Die meisten Menschen haben immaterielle Dinge aufgeschrieben. Eine Frau wünscht sich, dass ihr Mann endlich seine Depression überwinden kann. Jemand anderes wünscht sich, eine alte Freundschaft zu retten.

Ein Wunschbaum für Katze und Kaffee

Wenn man sich Zeit nimmt, entdeckt man am Baum aber auch Kurioses. Jemand wünscht sich, einen Kaffee in New York, genauer Manhattan, zu trinken. Jemand anderes, dass die Basler Trams wieder grün sein sollen statt mit Werbung bedruckt.

Foto Rechts Mann, hält Frau, links, im Arm. Im Hintergrund ein Baum, vollbehängt mit weissen Zettelchen.
Legende: Salome Rottmann und Roger Jean Rebmann. Der Stadtführer geht gerne am Wunschbaum vorbei. Für ihn ist es eine Art «Tankstelle». SRF / Katharina Brierley

«Ich wünsche mir eine Katze für Weihnachten», liest ein Passant vor. Manche der Wunschzettel sind mit Zeichnungen verziert, hier mit einem Katzengesicht und kleinen Herzchen drumherum und einem kleinen Männlein, das auf der Katze drauf sitzt. «Ich geniesse das. Der Wunschbaum ist eine kleine Tankstelle für mich. Ich komme hierhin und tanke ein klein wenig gute Wünsche», sagt er.

Ein Wunschbaum für höhere Erfolgsquoten

Das geht nicht nur ihm so. Die meisten Menschen, die stehen bleiben, sind sichtlich berührt von dem, was andere da geschrieben haben. Einer Frau kommen die Tränen, weil viele der Wünsche so elementar seien und so etwas Verbindendes hätten, sagt sie.

Aber wieso schreiben hier überhaupt so viele Menschen ihre Wünsche nieder? «Wenn man die Sachen aufschreibt, gehen sie vielleicht wirklich in Erfüllung», sagt eine Frau. Auch ein Mädchen ist überzeugt, dass ihre Wünsche so, prominent an den Baum gehängt, in Erfüllung gehen. «Wieso?» – «Weil es der liebe Gott sehen kann.»

Ein Wunschbaum für Nimmersatte und Optimisten

Andere sehen das Ganze deutlich nüchterner: «Wir haben nie genug. Ich denke, das ist es. Und jetzt ist uns ein bisschen etwas weggenommen worden. Also Freiheit. Und deshalb gibt es noch mehr Zettel.»

Wünsche schriftlich festzuhalten, hilft anderen dabei, sich auf etwas Positives auszurichten: «Ich denke, wenn ich mir das überlege und aufschreibe, dann sende ich die Energie auch dahin.»

Ein Wunschbaum zur Befreiung

Es funktioniert aber auch andersherum: Belastende Dinge aufzuschreiben und zu wünschen, dass sie aufhören. Das habe etwas sehr Befreiendes, findet eine US-amerikanische Touristin. «Es ist eine Form von Selbsttherapie. Du schreibst Dinge auf und kannst sie loswerden.»

Von der verlorenen Freundschaft bis hin zum Wolf

Selbsttherapie durch Aufschreiben also. Das würde allerdings auch im stillen Kämmerlein funktionieren. Hier aber hängen die Wünsche im öffentlichen Raum und laden alle, die vorübergehen, zu einer Art stillen Dialog ein.

Ein Wunschbaum, um gehört zu werden

«Ich habe das Gefühl, dass es gerade aktuell ein grosses Bedürfnis ist, sich mitzuteilen und auch zu schauen, was andere sich wünschen», sagt eine Frau.

Tannenbaum auf Platz vor Brunnen, vollbehangen mit weissen Zetteln.
Legende: Mehr weiss als grün: Der Wunschbaum in der Basler Altstadt trägt schon zahlreiche Wunschzettel. SRF / Katharina Brierley

Eine andere ergänzt: «Ich denke, viele Menschen wollen mehr gehört werden. Und das ist eine Möglichkeit dazu.» Vielleicht könne man auch anderen eine Freude machen, wenn sie vorbeilaufen und etwas Lustiges oder einen schönen Wunsch sehen.

Freude dürfte vielen wohl auch der Wunsch eines siebenjährigen Jungen machen. Was er aufgeschrieben hat, will er selbst nicht verraten. Das soll lieber seine Mama machen. «Er wünscht sich, dass Corona weggeht, dass man auf ihn furzt und sonst sperrt man ihn ein.»

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 22.12.2021, 07:06 Uhr

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