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Martin Aldrovandi über Weihnachten in China
Aus Kultur-Aktualität vom 24.12.2018. Bild: Reuters
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Weihnachten in China «Ein wenig wie Valentinstag»

In China gewinnt Weihnachten immer mehr an Bedeutung. Viele Einkaufsstrassen und Shoppingcenter sind auch dieses Jahr mit Weihnachtsbäumen und Lichterketten geschmückt – Läden bieten alle gängigen Dekorationsartikel an. Trotzdem ist alles ein bisschen anders, berichtet China-Korrespondent Martin Aldrovandi.

Martin Aldrovandi

Martin Aldrovandi

Auslandredaktor

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Martin Aldrovandi war von 2016 bis Sommer 2022 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Zuvor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet. Nun ist er als Auslandredaktor für Radio SRF in Bern tätig.

SRF: Ein christliches Fest in China: Geht es vor allem darum, mit weihnachtlichen Marketing den Konsum anzukurbeln oder steckt mehr dahinter?

Mario Aldrovandi: Der Konsumaspekt steht ganz klar im Vordergrund. Viele Chinesen feiern mittlerweile Weihnachten auf irgendeine Art – vor allem in den Städten. Junge Chinesen kaufen sich gegenseitig Geschenke, gehen fein essen oder machen sich einen schönen Abend mit Freunden, mit einem Kinobesuch zum Beispiel.

In China verschenkt man sich an Weihnachten Äpfel – oft auch mit guten Wünschen eingeritzt.

Für viele junge Paare hat Weihnachten auch etwas Romantisches – schon fast wie beim Valentinstag. Was es aber definitiv nicht ist: Weihnachten ist in China kein Familienfest. Das ist das chinesische Neujahr.

Wieviel chinesische Kultur fliesst denn da rein? Gibt es chinesische Besonderheiten rund um die Weihnachtstradition?

Nicht viele. Es gibt zum Beispiel keine Traditionen wie Adventskalender oder Adventskränze. Man kann sich natürlich ganz viele weihnachtliche Sachen kaufen – kleine Weihnachtsbäume aus Plastik zum Beispiel.

Eine Chinesin im Weihnachtskostüm auf der Bühne.
Legende: Weihnachten wird in China gefeiert, allerdings steht der Spass und das Zusammensein mit Freundin im Vordergrund. Reuters

Eine chinesische Tradition ist das Verschenken von Äpfeln. Apfel heisst «píngguo» auf Chinesisch und die erste Silbe «píng» heisst auch Friede, was wiederum die erste Silbe vom Chinesischen Wort für Heiligabend ist. Deshalb verschenkt man in China an Weihnachten Äpfel, oft sind gute Wünsche in die Schale geritzt.

Und wie feiern die christlichen Chinesen Weihnachten?

Die christlichen Gemeinden in China feiern Weihnachten ähnlich wie bei uns auch. Die Katholiken halten Messen, die Protestanten Gottesdienste. Da gibt es auch eine Art Adventszeit.

Wie gross ist die christliche Gemeinde in China?

Prozentual ist es eine Minderheit, aber absolut ausgedrückt ist die Zahl beeindruckend – wie es ja oft in China ist. Es gibt rund 100 Millionen Christen, so die Schätzungen. Genau berechnen kann man das nicht.

Kleine Kinder als Engel verkleidet laufen den Gang einer Kirche hinunter.
Legende: Szenen, die wir auch kennen: Stolze Omas filmen in einer katholischen Messe in Peking ihre als Engel verkleideten Enkelkinder. Reuters

Denn neben den vom Staat erlaubten Kirchen gibt es auch viele inoffizielle, sogenannte Untergrundkirchen. Die genaue Zahl kennt man also nicht. Aber man kann sicher sagen, dass es von Jahr zu Jahr mehr Christen in China gibt – und das sieht der Staat nicht unbedingt gerne.

Offiziell gibt es in China die Religionsfreiheit, in der Praxis sieht es ein bisschen anders aus.

Heisst das, chinesische Christen können Weihnachten nicht ganz unbesorgt feiern?

Das kommt darauf an. Offiziell gibt es in China die Religionsfreiheit, in der Praxis sieht es ein bisschen anders aus. Vor ein paar Wochen gab es in West-China beispielsweise mehrere Festnahmen von Christen in einer Kirche, die nicht offiziell gemeldet war.

Die chinesische Regierung will, dass die Christen in die vom Staat kontrollierten Kirchen eintreten. Dort können sie dann auch ganz offiziell Weihnachten feiern.

Wer allerdings nicht Weihnachten feiern sollte, sind die chinesischen Beamten oder Parteimitglieder. Es gibt seit letztem Jahr eine entsprechende Anordnung, dass das nicht erwünscht ist.

Das Gespräch führte Sarah Herwig.

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