Um Alis Haus zu finden, folgt man am besten dem Klopfen. Monoton, fast maschinell weist es den Weg zu dem zweistöckigen Rohbau etwas abseits der Strasse. Ali bittet herein, führt in einen kleinen Raum, in dem zwei junge Männer auf dem nackten Betonfussboden sitzen. Die Beine ausgestreckt, dazwischen mit Plastikplanen bespannte Schüsseln, in den Händen jeweils zwei Stöcke, die im Wechsel auf die Plane knallen. Durch kleine Löcher fällt feiner, grüner Staub in die Schüsseln. Den werden später Händler aus der Stadt kaufen und ihn zu Haschisch verarbeiten. Bezahlt wird in Gramm, wie bei Gold.
Ali ist wie alle in der Region um die Stadt Chefchaouen Cannabis-Bauer. Schätzungsweise 800'000 Menschen leben unmittelbar vom Anbau der Pflanze. 38'000 Tonnen Marihuana und 760 Tonnen Haschisch, also das Harz der weiblichen Cannabis-Pflanze, hat Marokko 2010 produziert. Der grösste Teil davon geht nach Europa. Das Land hat damit über Jahrzehnte die Liste der weltgrössten Haschischexporteure angeführt. Erst 2012 wurde es von Afghanistan abgelöst.
Anbau und Handel sind illegal
Younes, Alis Cousin, schaut sich nervös um, zieht sein Cappy tiefer ins Gesicht und schlägt dann vor, doch noch ein Stück in Richtung Wald zu gehen. Damit ihn niemand sieht beim Interview. Die Menschen im Dorf reden nicht gerne über «El Kif», wie sie die Cannabis-Pflanze nennen. «Es ist ja nicht so, dass wir Pflaumen produzieren», sagt Younes und lacht verlegen. Anbau, Verarbeitung, Transport, Verkauf: Die gesamte Handelskette von «El Kif» ist illegal, daheim in Marokko und im weit entfernten Europa. Deswegen möchte Younes, wie auch sein Cousin Ali, seinen richtigen Namen lieber nicht geschrieben sehen.
Das Risiko lohnt sich. 3000 Euro verdient Younes im Jahr. Andere machen bis zu 70' 000. Die Menschen im Rif-Gebirge sichern sich so Wohlstand in einer Region, die lange Zeit von Armut geprägt war: «Früher haben die Menschen hier Weizen angebaut. Aber davon konnten sie nicht leben. Heute leben wir hier quasi wie in der Stadt.» Mehrstöckige Steinhäuser kleben an den Hängen, es gibt Strom, Handys und fast jeder im Dorf hat ein Auto.
Das Wasser wird knapp
Wie lange dieses Geschäftsmodell noch aufgeht, ist eine Frage, die alle im Dorf umtreibt. «Es gibt zu wenig Wasser. Mehrere Familien teilen sich eine Quelle. Es gibt feste Zeiten, wer das Wasser wie lange nutzen darf», erzählt Younes und ergänzt gleich, dass es deswegen immer zu Streit zwischen den Nachbarn komme. Ausserdem seien viele Böden schon vollkommen ausgetrocknet, ganze Sümpfe zu steinharten Brachflächen verkommen. Nur noch vereinzelt sieht man ein paar Feigenbäume an den Hängen. Dazwischen erstrecken sich grossflächige Cannabis-Felder, Monokulturen, die den Boden auslaugen.
Manchmal denke er schon darüber nach, was er mit seinem Leben mache, wenn es mal kein El Kif mehr gibt. «Dann muss ich vielleicht doch einen Beruf lernen.» Aber bis dahin verfolgt Younes einen ganz anderen Plan. «Ich will schnell viel Geld verdienen, um dann ein ruhiges Leben zu haben.» Und ein Auto, so wie alle im Dorf. Und dieser Plan lässt sich nun einmal nur mit El Kif verwirklichen.