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Weltbewegende Geschenke Das Russendenkmal, ein Geschenk der Roten Armee an sich selbst

Geschenke, die die Welt bewegten: Ein sowjetischer Soldat aus Bronze steht auf einem 20 Meter hohen Marmorsockel. Und das auf einem der prominentesten Plätze Wiens, dem Schwarzenbergplatz. Die sowjetische Armee liess das Denkmal 1945 errichten, nachdem sie Wien von den Nazis befreit hatte.

Serie: Weltbewegende Geschenke

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Zum Auftakt des neuen Jahres gehen wir auf Weltreise: SRF-Korrespondentinnen und -korrespondenten stellen besondere Geschenke vor, die Land und Leute bewegten: ein Hund, der das politische Image aufbessern soll, eine Buddha-Statue, die mitten in Lappland steht oder eine Giraffe, die Furore macht.

Die sowjetische Armee hatte es eilig. Die sogenannte «Schlacht um Wien» im April 1945 war gerade erst geschlagen. 18'000 Rotarmisten und 19'000 Wehrmachtssoldaten waren in den Kämpfen gestorben, an deren Ende die Befreiung Wiens von den Nationalsozialisten stand. Da gaben die Führer der Roten Armee schon den Bau des Denkmals in Auftrag. Nicht einmal drei Monate später war die Statue und die Kolonnade dahinter fertiggestellt. Offiziell trägt sie den Namen «Heldendenkmal der Roten Armee», inoffiziell heisst sie bis heute «Russendenkmal».

Am 19. August 1945, knapp vier Monate nach Kriegsende, wurde das Denkmal der Roten Armee am Wiener Schwarzenbergplatz enthüllt. Alles verlief nach Plan. Die sowjetische Armee, die provisorische österreichische Regierung, Abordnungen der österreichischen Parteien sowie tausende Schaulustige kamen zu den Feierlichkeiten. Staatskanzler Karl Renner sprach in seiner Rede von «einem gigantischen Denkmal einer gigantischen Tat», vor dem er sich «in Ehrfurcht» verneige. Und: «Spätere, glücklichere Geschlechter werden vor diesem Denkmal stehen und in Andacht der Ereignisse gedenken.» Er sollte nicht Recht behalten.

Das Russendenkmal nach 1955

«Es war ein Geschenk der Roten Armee an sich selbst. Es war eines dieser Geschenke, das eigentlich beim Schenkenden die grösste Freude auslöst – und nicht beim Beschenkten», sagt der Wiener Kulturwissenschafter Matthias Marschik. Er gab zum Gedenkjahr 2005 den Sammelband «Das Wiener Russendenkmal» heraus. «Die Wiener haben dieses Geschenk nicht besonders geschätzt, sie haben sich in irgendeiner Weise damit abgefunden, dass dieses Denkmal dort steht. Aber es wird nicht wirklich wahrgenommen», so erklärt Marschik das zwiespältige Verhältnis der Wiener zum Denkmal der Roten Armee.

Die Beschäftigung mit dem Denkmal und der Befreiung Wiens durch die sowjetischen Truppen sei ebenso halbherzig betrieben worden, wie die Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Zudem habe man in Österreich durchaus berechtigte Angst vor den Sowjets gehabt, fürchtete man sich doch vor deren Rache für die Taten der Wehrmacht in der Sowjetunion.

Ein Symbol für Vergangenheitsbewältigung?

Blick auf das Russendenkmal hinter dem Hochstrahlbrunnen.
Legende: Das Russendenkmal hinter dem Hochstrahlbrunnen auf dem Schwarzenbergplatz. Wikimedia

Die Republik Österreich ist verpflichtet das Denkmal zu erhalten und zu pflegen. Das wurde 1955 im Staatsvertrag festgelegt, infolgedessen der Staat seine Unabhängigkeit wieder zurück bekam. Denn zwischen 1945 und 1955 stand Österreich unter der Verwaltung der USA, der Sowjetunion, Frankreichs und Grossbritanniens.

Mittlerweile ist das Wiener Russendenkmal zu einem Platz geworden, an dem man nach langen Nächten in einer der umliegenden Diskotheken den Kopf kühlen oder sich ein lauschiges Plätzchen suchen kann.

Trotzdem: Die Statue des sowjetischen Soldaten bleibt nach wie vor verborgen hinter dem Hochstrahlbrunnen, und ist wohl ein Symbol für das Verhältnis der Österreicher zu ihrer Vergangenheit: Wenn man nicht muss, schaut man nicht hin.

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