Das Wichtigste in Kürze:
- Viele Ehepaare lassen sich erst im Alter scheiden: so wie Kathrin und ihr Mann.
- Kathrins Ehe dauerte 39 Jahre. Sie heiratete ihren Mann mit 21, mit 60 trennte sie sich von ihm.
- Trotz mehrerer Krisen zögerte sie lange, den Schlussstrich zu ziehen – wegen den Kindern, dem Umfeld, der gemeinsamen Geschichte.
Kathrin und ihr Mann haben sich 1974 in einem Kibbuz kennengelernt. Dort verbrachten sie drei Monate. «Als ich nach Hause kam, war ich schwanger», erinnert sich Kathrin: «Wie es damals so war, haben wir geheiratet, im November desselben Jahres – ich war 21 Jahre alt.»
Die erste Tochter kam im Februar 1975 zur Welt.
Hausfrau, Mutter, Vereinspräsidentin
Für Kathrin bedeutete die Familiengründung auch, von der Ostschweiz in den Kanton Solothurn umzuziehen. Die Situation sei anfänglich nicht einfach gewesen, zumal sie auch als junge Mutter gefordert war.
Aber mit ihrem Mann habe sie es gut gehabt, erzählt sie. «Ich war zehn Jahre lang Mutter und Hausfrau. Nebenher war ich im Turnverein, habe bald die Jugendriege geleitet. Schliesslich war ich Präsidentin.» 1978 bekam sie eine zweite Tochter. Muttersein und Turnverein – das habe sie ausgefüllt.
«Alles war durcheinander geraten»
Erste Wolken am Ehehimmel zogen erst nach sieben Jahren auf. «Das verflixte siebte Jahr war bei uns wirklich verflixt», erzählt Kathrin. Damals führte ihr Mann zum ersten Mal eine aussereheliche Partnerschaft. Mit jemandem aus ihrem Verein.
«Das fühlte sich an, als hätte eine Bombe einschlagen: Ich habe die Welt nicht mehr verstanden, nicht begriffen, weshalb das geschehen ist – und überhaupt, dass es geschehen ist. Alles war durcheinander geraten.»
Kathrin denkt nur ungern an jene Zeit zurück. Geholfen habe ein Wechsel des Arbeitsplatzes ihres Mannes, vorübergehend sei er ins Tessin versetzt worden. Sie blieb mit den Kindern in der Deutschschweiz. Dadurch habe die eheliche Beziehung wieder an Intensität gewonnen.
Diesmal besser weggesteckt
«Ein paar Jahre ging alles gut – dann begann ein neues Verhältnis meines Mannes.» Diesmal habe sie es «besser weggesteckt», sagt Kathrin heute. Das heisst: «Ich habe versucht, es zu ignorieren und einen einigermassen normalen Alltag zu leben. Und gemerkt, dass das eine ganz gute Variante war.» Irgendwann habe es sich von selbst wieder geregelt, sagt Kathrin.
Auf Initiative ihres Mannes besuchte das Paar danach eine Ehetherapie. «Das hat uns gut getan, hat uns auf Fehler aufmerksam gemacht. Wir hatten wieder sehr gute Ehejahre, alles ging sehr harmonisch zu und her.»
Bis es wieder so weit war, erinnert sich Kathrin: «Ich denke, mein Mann war einfach kein Mann für nur eine Frau, nur eine Partnerschaft.»
Die Welt neu entdecken
Scheidung sei für sie lange trotzdem kein Thema gewesen – auch aus Rücksicht auf die Kinder: «Ich habe zwar daran gedacht, war aber zu wenig mutig. Ich wollte im gewohnten Umfeld bleiben.»
Erst Jahre später, als die Töchter längst ausgezogen waren, veränderte Kathrin ihr Verhalten: «Irgendwann habe ich beschlossen: Jetzt gehe ich meinen eigenen Weg. Ich wollte die Welt entdecken – nach 40, und nach 50 erst recht.»
Sie sei nur noch sporadisch mit ihrem Mann in die Ferien gefahren. «Irgendwann hat es sich eingespielt, dass jeder von uns seinen eigenen Wege ging – und doch haben wir zusammengelebt. Wie in einer Wohngemeinschaft.»
Auch auf dem Papier getrennt
Die Idee zu einer Scheidung, auch auf dem Papier, sei dann von ihrem Mann ausgegangen: «Er war damals in einer festen Beziehung. Das war der Anlass, den Schlussstrich zu ziehen. Die Entscheidung war auch ganz in meinem Sinne, der Situation und der Zeit entsprechend.»
Das Ehepaar hatte kein eigenes Haus, kein grösseres Vermögen. Kathrin blieb in der gemeinsamen Wohnung. Zum Scheidungstermin kam sie direkt aus den Skiferien im Wallis: «Wir mussten kurz warten, dann ging die Scheidung sehr schnell vor sich. Es herrschten ja keine Unstimmigkeiten.»
Anschliessend hätten sie als geschiedene Eheleute zusammen einen Kaffee getrunken: «Danach bin ich wieder ins Wallis gefahren und habe mit meinen Freundinnen angestossen.»
Gemeinsame Geschichte
Mit 21 Jahren verheiratet, mit knapp 60 geschieden: Vielleicht sei die lange gemeinsame Geschichte ein Grund gewesen, den Schlussstrich fast 40 Jahre hinauszuzögern. «Wenn man so lange zusammen ist, dann hat man vieles gemeinsam durchgestanden.»
Wenn sie heute ihren Ex-Mann treffe, mit ihm essen gehe, dann hätten sie sich immer etwas zu erzählen, sagt Kathrin. Weil sie auf so eine lange gemeinsame Vergangenheit zurückblicken.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 28.6.17, 9:02 Uhr