Der Heimwerker-Papa repariert etwas. Oder vermasselt es. Die Mama kippt ein Erkältungsmittel herunter, der Mann am Grill hält ein kühles Bier, die schlanke Frau eine Praline – viele Stereotypen in der Werbung halten sich hartnäckig. Doch die Bildwelt der Werbung hat sich gewandelt – auch in der Schweiz.
Seit drei Jahren guckt ein Verein genau hin: Das Gislerprotokoll – eine agenturübergreifende Initiative, die jährlich eine Stereotypen-Analyse durchführt. Ihr Ziel ist eine «facettenreiche Repräsentation der Geschlechter». In der diesjährigen Analyse von 243 Werbespots wurden gendertypische Vorurteile in der Hälfte aller Fälle identifiziert. Männer werden oft als lustig, aktiv, heldenhaft und souverän dargestellt, Frauen sind häufig die «Kümmerin» oder die stille Geniesserin.
Neue Realitäten, neue Werbung
Regula Bührer Fecker, zweifache Werberin des Jahres, erkennt ebenfalls eine Veränderung: «Stereotypen wurden aufgeweicht», sagt sie. «Sie verlieren aber auch an Wichtigkeit.» Die neue Ära der Werbung sei textlastig und fokussiere auf das Produkt, statt auf den Menschen.
Dennoch bleibt die Diskussion über Stereotypen in der Werbung wichtig und erfordert kritische Reflexion. Werbung müsse am Zeitgeist bleiben, sagt Bührer Fecker: «Wenn sich die Gesellschaft verändert, muss auch die Kommunikation mitgehen.» Der alleinstehende Vater beim Einkauf? «Begrüssenswert», so Bührer Fecker, «dass eine Realität abgebildet wird, die man im Bekanntenkreis hat. So kann Werbung dazu beitragen, auch neue Realitäten zu schaffen.»
Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten
Zum ersten Mal warf das Gislerprotokoll dieses Jahr auch einen Blick auf die Repräsentation von nicht-weissen Menschen in der Werbung. In einem Viertel der analysierten Spots sind schwarze Personen zu sehen. Damit hat sich die Repräsentation von People of Color in der Werbung verbessert. «Es bewegt sich einiges», sagt Bührer Fecker. «Aber wir leben in einem Land, in dem die Mühlen relativ langsam mahlen.»
Wie aber schaffen es Werbeagenturen in der Praxis, die stereotypen Darstellungen zu vermeiden oder aufzubrechen? «Es beginnt bei einem selber im Kopf», sagt Bührer Fecker: «Man bringt sich selber an den Tisch. Und diejenigen, die da sitzen, sind in der Pflicht, anzusprechen, wenn andere fehlen.»
Eine Strategie, eine vielfältigere und inklusivere Darstellung zu fördern, die im Arbeitsprozess umgesetzt wird, scheint aber nicht einfach. Der Diversitätsbegriff umfasst Aussehen, Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung, Alter, Vorlieben und Überzeugungen. .«Es geht darum, die verschiedenen Hintergründe, Milieus, Hautfarben, Einkommensklassen und Lebensrealitäten anzuerkennen und zu berücksichtigen.»
Den Topfpflanzentest bestehen
Diversität berücksichtigen bedeutet aber nicht, Menschen als Dekoration ins Bild zu setzen. Deshalb führte das Gislerprotokoll auch den sogenannten «Topfpflanzentest» ein. Greift der Test, werden weibliche Personen oder Minderheiten im Werbespot eine rein dekorative Rolle zugeteilt, ohne Relevanz für die Handlung.
Immerhin: Deren Anteil ist mit 30 Werbungen im Vergleich zu 70 Spots im Jahr 2022 gesunken. Die Initiative sei herausragend, erklärt Bührer Fecker. «Weil sie die ganze Branche dazu einlädt, über die eigene Arbeit nachzudenken.»