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Gesellschaft & Religion Wie Apple und Google das Netz-Wissen horten

Grosse Firmen wie Apple oder Google kontrollieren immer mehr den Zugang zu Wissen und Kultur. Wissenschaftler und Netzaktivisten sehen den Zugang zu kulturellen Inhalten in Gefahr. Die Politik wird zum Handeln aufgefordert, dort wo das «freie» Internet versagt.

Das Jahr 2002 markierte einen Wendepunkt: Erstmals hatte die Menschheit mehr Inhalte digital als analog gespeichert. Es war der eigentliche Beginn des digitalen Zeitalters. Mit der Expansion des Internets veränderte sich der Umgang mit Kultur und Wissen radikal. Musik-, Film- und Büchersammlungen verlagerten sich von realen Wohnwänden und physischen Archiven zunehmend in digitale Datenbanken im Netz. Weil diese Datenbanken oft grossen Unternehmen wie Google oder Apple gehören, sorgen sich Netzaktivisten und Wissenschaftler um den freien Zugang zu diesen Inhalten.

Wissen in den Händen von Grossunternehmen

Einer dieser Wissenschaftler ist John Cayley, Professor für digitale Literatur an der Brown Universität im amerikanischen Providence. Er stellt einen Paradigmenwechsel fest: War Wissen früher in den Händen der Gesellschaft, konzentriert es sich heute zunehmend bei Grossunternehmen.

«Wissen wird immer stärker durch börsenkotierte Unternehmen kontrolliert, das ist gefährlich», sagt Cayley. Der Professor denkt dabei etwa an Google. Das Unternehmen hat im Rahmen seines Buch-Projekts mittlerweile rund 30 Millionen Bücher in Bibliotheken gescannt. «Nur schon die Tatsache, dass Google über diese digitalisierten Bücher verfügt, und wir nicht, ist gefährlich». Seine Befürchtung: Google könnte den Zugang einschränken oder nur noch gegen Bezahlung gewähren.

Apple definiert Kultur

Bezüglich kultureller Inhalte hat sein Kollege Roberto Simanowski ähnliche Befürchtungen: Der Professor am Seminar für Medienwissenschaften an der Universität Basel sieht vor allem die Entwicklung von Apple sehr kritisch. Das kalifornische Unternehmen «definiert den Kultur-Begriff immer öfter gleich selbst oder zensiert unliebsame Inhalte sogar».

Apple sehe sich selbst als eine Art Kurator von Inhalten, sagt der Professor von der Uni Basel. «Apple entscheidet alleine darüber, was kulturell relevant ist». Künstler, die nicht ins ideelle Grundverständnis des kalifornischen Unternehmens passten, hätten es schwer, in den Playlists aufzutauchen. Diese Betrachtungsweise habe auch viel mit der «konservativen puritanischen Grundhaltung der Amerikaner» zu tun, ist sich der deutsche Professor und Autor sicher.

Unerwünschte Inhalte werden entfernt

Tatsächlich ist der Computerhersteller für sein teilweise brachiales Vorgehen bei unerwünschten Inhalten berüchtigt. Ein konkreter Fall aus dem Jahr 2010 verdeutlicht dies. Damals hatte Apple digitale Bücher des Erotik-Autors Carl East über Nacht aus der Bücher-Hitliste entfernt. Zu pornografisch für das prüde Amerika? Mit Sicherheit kein Einzelfall. Auch religiöse Inhalte stehen auf dem Index. So hat Apple schon Computerspiele entfernt, in denen die Bibel zu sehen war. Wer diesen Gedanken weiterspinnt, entwickelt bald eine dystopische Weltsicht - Eine Gesellschaftsform, in der nur noch gezeigt wird, was nicht stört.

Apples enorme Macht kommt nicht von ungefähr: Das Netz wurde in den vergangenen Jahren fast völlig Firmen überlassen. Dabei war die ursprüngliche Idee des Internets eine völlig andere. In den Anfangstagen wurde das Internet von Netzaktivisten und Pionieren für frei und nicht kommerziell erklärt. Es dominierte die Vorstellung des Webs als virtueller Raum für alle, aus dem sich Unternehmen sowie der Staat heraushalten sollten.

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Simanowski über die schnellen Ideen aus dem Silicon Valley
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Doch es kam anders. Das Internet wurde zum globalen Tummelplatz für Unternehmen. Weder die Politik noch die Wissenschaft habe dieser Kommerzialisierung und ihren Folgen die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt, sagt Simanowski. Als Grund sieht der Professor die rasante Entwicklung des Internets in den letzten zwei Jahrzehnten, die alle überfordert habe.

Die Konsequenzen der Vormacht von Google, Apple und Co. sind heute deutlich erkennbar. Was aber weiterhin fehlt, sind Strategien, ob und wie gegen diese Machtkonzentration vorzugehen ist.

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