Zum Inhalt springen

Wie viel Steuern Reiche zahlen Ohne Reiche gäbe es für alle weniger Wohlstand

Unsere Gesellschaft hat viel von den Reichen. Vor allem wegen der Steuern und der AHV.

In der Schweiz sind die Einkommensteuern der grösste Posten bei den Einnahmen für die Staatskasse. Daneben gibt es weitere Steuern wie Vermögens-, Mehrwert-, Tabak- oder Motorfahrzeugsteuer.

Mit dem Geld finanziert der Staat Leistungen, die allen zugutekommen: Schulen, Strassen, Spitäler, den öffentlichen Verkehr, die Sozialwerke. Und aktuell auch Kredite und Hilfszahlungen in der Corona-Krise.

Wer zahlt wie viel?

Der Ökonom Christian Frey arbeitet für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und an der Uni Luzern. Er hat untersucht, wie viel Reiche zur Finanzierung des Staates und damit zum gesellschaftlichen Wohlstand beitragen.

2017 wurden rund 57 Milliarden Franken an Einkommensteuern gezahlt. Mehr als die Hälfte davon kommt von den 10 Prozent Reichsten. Die reichsten 1 Prozent zahlen 24 Prozent der gesamten Steuerzahlungen.

Dieses reichste Prozent sind gut 50’000 Steuerpflichtige. Deren steuerbares Einkommen beträgt mindestens 330'000 Franken. Beim reichsten Promill beträgt es mindestens 4,5 Millionen Franken, dürfte im Durchschnitt aber deutlich höher liegen.

Die reichsten 1% zahlen mehr als die ärmsten 50%

Die Schweiz hat bei den Steuern eine Progression eingebaut. Dadurch gilt: wer mehr verdient, zahlt auch mehr Steuern – und zwar überproportional mehr.

Der Anstieg der Steuern bei den hohen Einkommen ist je nach Kanton unterschiedlich, aber ungefähr gilt: Wer 200'000 Franken verdient, zahlt nicht doppelt so viel Steuern wie der oder die mit 100'000 Franken, sondern mindestens dreimal so viel. Je weiter es nach oben geht, um so steiler der Anstieg der Steuern.

Umverteilung via AHV

Auch bei den Sozialwerken profitiert die Gesellschaft von den Reichen. Besonders deutlich ist das bei der Altersvorsorge AHV. Ökonom Christian Frey spricht hier von einer «Hochlohnsteuer»: Allen wird ein fixer Prozentsatz vom Lohn abgezogen, egal ob jemand 80'000 Franken pro Jahr verdient oder 1 Million.

Aber im Alter bekommt der Millionär keine höhere AHV-Rente als die Person mit 80’000 Franken – obwohl der Vielverdienener ein Berufsleben lang viel mehr einbezahlt hat. Die Beiträge sind nicht gedeckelt, die Renten aber schon: derzeit gibt es maximal 2370 Franken pro Monat für Alleinstehende.

Erbschaftssteuer: Überfällig oder überflüssig?

Box aufklappen Box zuklappen

Lange gab es in allen Kantonen eine Erbschaftssteuer. Erst in den letzten Jahren wurde sie vielerorts abgeschafft oder stark reduziert. Jetzt gibt es Diskussionen, ob sie auf Bundesebene wieder eingeführt werden sollte.

Befürworter argumentieren, es sei die schmerzloseste Steuer – und sie stehe einer Leistungsgesellschaft gut an, weil eine Erbschaft einem zufällt, ohne dass man etwas dafür tut.

Vorbehalte formulieren Unternehmerinnen und Unternehmer: Erbschaftssteuern könnten für ein Familienunternehmen zum Problem werden, wenn viel Kapital in einer Firma gebunden ist.

Politische Diskussionen

Ob Reiche mehr Steuern zahlen sollten, ist letztlich eine politische Frage. Und es ist immer auch eine Gratwanderung. Ein intelligent aufgebautes Steuersystem nimmt die Reichen in die Pflicht – ohne sie zu vertreiben.

Sind die Steuern zu hoch, riskiert man, dass die Reichen wegziehen. Damit würden auch die erwünschten Steuerbeiträge wegfallen.

Baustelle an einer Autoban
Legende: Gelder von reichen Bürgerinnen werden etwa für den Strassenbau genutzt. Wie weit muss man ihnen deshalb entgegenkommen? Keystone / URS FLUEELER

Economiesuisse-Ökonom Christian Frey argumentiert, der Mittelstand müsste viel mehr Steuern zahlen, wenn es die Reichen nicht gäbe. Andere sagen, die Schweiz habe viel zu bieten – wer ein paar hundert Millionen habe, würde nicht gleich wegziehen, wenn man die Steuern ein bisschen erhöhe.

Reiche haben es gut in der Schweiz – aber die Schweiz hat auch viel von ihren Reichen. Ohne deren Steuerbeitrag wäre unser Wohlstand deutlich geringer.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 25.11.2020, 09:02 Uhr.

Meistgelesene Artikel