Seit über 40 Jahren berät Elisabeth Schlumpf Paare, die in Krisen geraten. Immer wieder trifft sie Menschen, die sich selbst nach einer Scheidung wieder zusammenraufen. Wichtig sei, dass alte Muster hinterfragt würden, sagt die Paartherapeutin, die selbst wieder mit ihrem Ex-Mann zusammenlebt.
SRF: Was braucht es, damit eine Liebe im zweiten Anlauf eine Chance hat?
Elisabeth Schlumpf: Es gibt verschiedene Komponenten. Ohne Respekt und gegenseitige Achtung klappt es sicher nicht. Die Personen müssen bereit sein, eigenes Fehlverhalten kritisch zu reflektieren.
Oft sind Aussenbeziehungen der Grund für eine Trennung. Sprich, Verlassene müssen zuerst mit ihrer Kränkung fertig werden. Ohne eine Bereinigung solcher Altlasten wird ein Neustart schwierig: Denn wie soll die Liebe zueinander wieder wachsen können, wenn man nie ganz verzeihen konnte?
Ein Reifeprozess auf beiden Seiten ist also nötig, um sich und das Gegenüber besser zu verstehen. Wertschätzung, Toleranz und Weitherzigkeit sind in diesem Zusammenhang weitere wichtige Faktoren.
Ein häufiger Scheidungsgrund ist die schleichende Lieblosigkeit, typisch dafür ist der Satz: «Man hat sich auseinandergelebt.» Besteht bei einem Neuanfang nicht die Gefahr, dass die Paare wieder ins alte Fahrwasser geraten?
Doch, diese Gefahr besteht, wenn man die fatalen Muster nie hinterfragt hat. Viele Paare stolpern über die Vernachlässigung der Beziehung: Eine Beziehung ist wie eine Pflanze, sie braucht Wasser.
Das Wasser in einer Beziehung ist das Gespräch, der Austausch und man sollte auch gemeinsam etwas unternehmen.
Man steigt nie zweimal in denselben Fluss.
Spielt es eine Rolle, wie man sich beim ersten Liebes-Aus getrennt hat?
Ja, es kommt sehr darauf an, wie eine Scheidung über die Bühne ging. Wenn Paare sich einst vor Gericht als Feinde gegenüberstanden, ist die Chance auf einen erfolgreichen zweiten Anlauf praktisch vertan.
Einige denken, sie könnten das einstige Glück nachholen, wenn sie zufällig der ersten grossen Liebe wiederbegegnen. Ist das ein Mythos?
Es ist eine Illusion: Man steigt nie zweimal in denselben Fluss. Und von nachholen oder wiederholen kann keine Rede sein. Aber dass man sich nach vielen Jahren wieder ineinander verliebt, ist durchaus möglich.
Wie kann eine Beziehung, die in jungen Jahren bloss ein Strohfeuer war, Jahrzehnte später zu einer tiefgründigen Partnerschaft werden?
Es hat einmal mehr mit Reife und Lebenserfahrung zu tun: Wer vielleicht die Familienphase schon hinter sich hat und auch beruflich nicht länger einer Karriere nachrennt, kann sich entspannter auf eine Beziehung einlassen. Und ist wohl auch eher bereit, sich gegenseitig genügend Freiraum zu geben.
Dieses Thema scheint bei einem Neustart in der Liebe generell ein wichtiges Thema.
Ja, der Freiraum ist – gerade in fortgeschrittenerem Alter – ein zentraler Punkt. Einerseits braucht es eine gewisse Distanz, damit die Liebe nicht erstickt, andererseits sind aber auch Gemeinsamkeiten nötig, damit die Paare sich nicht entfremden oder ganz verlieren.
Ich nenne dies den Puls oder die Schwingung einer Beziehung. Dies bedingt die Fähigkeit, den anderen in Ruhe lassen zu können. Dazu braucht es Vertrauen: Vertrauen ist die absolute Basis für jede Beziehung.
Das Gespräch führte Luzia Stettler.