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Gesellschaft & Religion Wo mit den Wechseljahren das Ansehen der Frau steigt

In den USA und Europa bedeutet die Menopause: alt und unfruchtbar werden, körperliche Beschwerden haben. Ganz anders in anderen Kulturen: An vielen Orten bedeutet die Menopause eine Aufwertung.

«In traditionellen Gesellschaften kann man davon ausgehen, dass die Menopause kein biologisches Schicksal ist, sondern ein soziales Ereignis», sagt die Soziologin und Ethnologin Godula Kosack. «Die Frau kann Dinge tun, die sie vorher nicht konnte. Dinge, die ihr Selbstwertgefühl und die Wertigkeit in der Gesellschaft stärken. Deshalb wird die Menopause von den Frauen oft begrüsst.»

Kamerun: Mehr geistige Kräfte

Godula Kosack betreibt seit über 30 Jahren regelmässig Feldforschung bei den Mafa im Norden Kameruns. Mit etwa 200'000 Menschen sind sie die grösste Bevölkerungsgruppe in Nordkamerun. Oft üben sie Erd- und Ahnenkult aus. Nach der Menopause ändert sich der Stellenwert der Mafa-Frau in der Gesellschaft, ihr werden mehr geistige Kräfte zugesprochen.

«Sie dürfen verschiedene rituelle Tätigkeiten ausüben, die menstruierende Frauen nicht dürfen: Sie dürfen Ahnenopfer vollbringen oder Kinder beerdigen.» Godula Kosack hat über 300 Interviews mit Frauen aus Nordkamerun gemacht und nur wenige von diesen Frauen kennen Symptome wie Hitzewallungen oder Stimmungsschwankungen. Ja, das komme schon vor, erzählten Mafa-Frauen der Ethnologin, aber auch bei Männern.

Georgien: Eine Frau nach der Menopause ist eine reine Frau

Seit über 15 Jahren betreibt Godula Kosack auch Feldforschung in Georgien. In den Bergregionen, abseits des modernen Georgiens, hat sie erfahren, dass es hier zwei Mal Wechseljahre gibt: Der Übergang von der Kindheit zur Jugend sowie der Übergang ins Alter tragen denselben Begriff.

«Die Menstruation wäscht das Blut, deshalb gehen sie davon aus, dass eine menstruierende Frau unrein ist», sagt Kosack und fügt an: «Eine nicht mehr menstruierende Frau ist rein; sie kann rituelle Aufgaben übernehmen, Gebetsplätze verwalten und ist sehr angesehen.»

Neuseeland: Hüterinnen der Weisheit

Wie in Nordkamerun und Georgien steigt auch bei den Maori in Neuseeland die Stellung der postmenopausalen Frau in der Gesellschaft. «Die Frauen gewinnen ungemein an Ansehen», sagt Godula Kosak. «Die ältesten sind die Hüterinnen der Weisheit, des Wissens, der Tradition. Die Frau, die Kinder kriegt und nährt, ist zuständig für die körperliche Nahrung, aber die Frau nach der Fruchtbarkeitsphase ist zuständig für die geistige Nahrung.»

Die Maori-Frauen bekommen nach der Menopause einen Ehrentitel: Kuia – weise Alte oder Kaumatua – die angesehene Älteste bei Versammlungen. Der weisen Beraterin öffnet sich im dritten Lebensabschnitt eine breite Palette an neuen Tätigkeitsfeldern, gesellschaftspolitischen Tätigkeitsfeldern: Zeremonienmeisterin oder, so Godula Kosak: «Sie kann auf der Stammesebene politische Aktivitäten übernehmen oder sich in der neuseeländischen Globalgesellschaft aktiv beteiligen.»

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