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Was sagen uns die Sterne wirklich?
Aus Sternstunde Religion vom 06.01.2019.
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Astrologie und Religion «Luther fälschte sein Geburtsdatum – für ein besseres Horoskop»

Die Astrologie existiert seit 3000 Jahren – ihre Geschichte ist entsprechend bewegt: Einige Religionen haben sie bekämpft, bei anderen ist sie integraler Bestandteil der Tradition. Welches Verhältnis Religion und Astrologie haben, weiss Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad.

Kocku von Stuckrad

Kocku von Stuckrad

Religionswissenschaftler

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Kocku von Stuckrad, geb. 1966, ist Professor für Religionswissenschaft an der Universität Groningen in den Niederlanden. Er ist Mitbegründer und Kodirektor des Forschungszentrums «Counterpoint: Navigating Knowledge» – einer Plattform, die sich für den Diskurs zwischen verschiedenen Wissenssystemen einsetzt.

SRF: Astrologie ist für einige Leute auch eine Orientierungshilfe. Hat Astrologie religiöse Züge?

Kocku von Stuckrad: Seit ihrer Entstehung hat die Astrologie immer auch religiöse Züge gehabt. Im alten Babylonien waren es die Priester, die die Bewegungen der Sterne interpretieren mussten. Denn diese deuteten auf den Willen der Göttinnen und Götter hin, die sich in «ihren» Sternen manifestierten.

Auch in Griechenland und Rom waren die Sterne mit der Götterwelt verbunden. Dies kann man an Namen wie Jupiter oder Venus erkennen.

Und wie ist das heute?

Heute sehen das die meisten Leute entspannter. Es gibt auch viele Christen, die Astrologie betreiben. Im gesamten Bereich von heutiger Spiritualität und psychologischer Astrologie könnte man sagen: Astrologie hat in dem Sinne religiöse Züge, dass sie den Menschen in einen grösseren, metaphysischen Gesamtzusammenhang einbindet.

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Welchen Bezug hat das Christentum denn zur Astrologie? Zumindest bildete es sich ja im römischen Reich heraus.

Für die Christen war die Sache damals komplizierter: Theologen wie Origenes betrachteten die Sterne zwar als «Handschrift Gottes», die Eingeweihte lesen könnten – so auch den Stern von Bethlehem.

Von einer systematischen Verfolgung von Astrologen kann im Christentum keine Rede sein.

Die Idee aber, dass das menschliche Schicksal im Horoskop vorherbestimmt sei, wurde von Theologen kritisiert. Die christliche Kirche hat die Astrologie deswegen immer wieder bekämpft.

Wie hat sich diese Bekämpfung gezeigt?

Die christlichen Kaiser haben im vierten Jahrhundert ein Verbot der Astrologie erlassen. Danach kam es wiederholt zu Gerichtsverfahren. Am verwerflichsten war es, das Horoskop und damit auch das allfällige Todesdatum des Kaisers zu deuten. Dieses Privileg war dem Kaiser vorbehalten.

Ein Mann mittleren Alters im grauen Anzug und Krawatte lächelt.
Legende: «Astrologie bindet den Menschen in einen grösseren, metaphysischen Gesamtzusammenhang ein», meint Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad. SRF / Oscar Alessio

Von einer systematischen Verfolgung von Astrologen kann allerdings keine Rede sein. In der Renaissance und auch danach wurden praktizierende Astrologen zwar beobachtet, doch ihre Tätigkeit wurde geduldet, von manchen Herrschern sogar aktiv gesucht.

Das Judentum und der Islam haben ein sehr viel entspannteres Verhältnis zur Astrologie als Teile des Christentums.

Aber der Protestantismus hat sich klar gegen die Astrologie ausgesprochen.

Ja, Luther selbst hat die Astrologie abgelehnt. Trotzdem fälschte er sein Geburtsdatum – um ein «besseres» Horoskop zu bekommen. Sein Freund und Mitreformator in Wittenberg, Melanchthon, war einer der führenden Astrologen der Zeit.

Welche Beziehung haben andere Religion wie etwa der Islam oder der Buddhismus und Hinduismus zur Sterndeuterei?

Das Judentum und der Islam haben ein sehr viel entspannteres Verhältnis zur Astrologie als Teile des Christentums. Zumindest solange dabei gewährleistet ist, dass man Gott zwar «in die Karten schaut», aber nicht die Freiheit Gottes in Zweifel zieht. In Indien und China haben sich viele astrologische Traditionen gehalten.

In Indien wird die Astrologie sogar an einigen Universitäten gelehrt.

Gerade in Indien sieht man in der Gesellschaft eine breite Akzeptanz der Astrologie. So ist es völlig normal, beim Finden des richtigen Hochzeitstermins oder bei der Gründung eines Unternehmens erst Astrologen zu konsultieren.

Weshalb konnte sich die Astrologie in Indien so stark etablieren?

Die Astrologie hat dort eine lange Tradition und wurde mit hinduistischen Systemen verbunden. Dazu gehört auch die Verbindung zwischen Planeten und Gottheiten.

In Indien wird die Astrologie sogar an einigen Universitäten gelehrt. Auch dies trägt dazu bei, die Astrologie in der Bevölkerung zu etablieren.

Gibt es heute im Judentum und Islam noch astrologische Traditionen?

Auf jeden Fall! Im jüdischen Talmud gibt es etwa eine ausgewogene Diskussion der Astrologie, worauf sich heute viele Praktizierende beziehen. Auch in der jüdischen Mystik, der Kabbala, spielt die Astrologie bis heute eine grosse Rolle. Ähnlich sieht es in vielen islamischen Kulturen heute aus.

Das Gespräch führte Olivia Röllin.

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