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Besuch bei Star-Designer Wolfgang Joop
Aus Kulturplatz vom 23.10.2019.
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Wolfgang Joop «Ich war beschützt durch mein Aussehen und mein Talent»

Hetero oder homo: Das war einst die grosse Frage. Heute ist die Welt queer – oder wenigstens auf dem Weg dahin. Queer: Das ist alles, was nicht der heterosexuellen Norm entspricht.

Der queere deutsche Modedesigner Wolfgang Joop – er hat eben seine Autobiographie «Die einzig mögliche Zeit» veröffentlicht – im Gespräch über ein kreatives Leben jenseits aller Kategorien und Grenzen.

Wolfgang Joop

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Der deutsche Modedesigner ist Gründer der Mode- und Kosmetikfirmen JOOP! und Wunderkind. Seit der Trennung von seiner Frau lebt der Vater zweier Töchter in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft.

SRF: Als ich Ihre Memoiren las, habe ich immer auf Ihr Coming-out gewartet. Es kam aber nie.

Wolfgang Joop: Beim Verlag hat noch vor Erscheinen des Buches eine queere Organisation angerufen und gesagt: Wir hoffen sehr, dass da ein ordentliches Coming-out darin vorkommt. Da sagte die Lektorin, das ganze Buch ist ein Coming-out. Da hat sie recht.

Buchhinweis

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Wolfgang Joop: Die einzig mögliche Zeit. Rowohlt Verlag, 2019.

Warum ist das Buch für Sie ein einziges Coming-out?

Wir waren Kinder der 1970er-Jahre. Da hätte es auch passieren können, dass drei Männer mit einem Mädchen oder drei Mädchen mit einem Mann im Bett lagen.

Ich hatte zu der Zeit mit vielen über das sogenannte Coming-out gesprochen. Die hatten es noch nicht und lebten wesentlich wilder vor dem Coming-out als danach.

Queer ist der Aussenseiter, der den Mainstream verlassen hat.

Die gesellschaftlichen Konventionen waren ja stark damals. Waren Sie möglicherweise so privilegiert, dass Sie sich gar nicht outen mussten?

Ich habe einfach so gelebt, wie ich gelebt habe. Gott sei Dank war mein Umfeld mondän. Es waren Dichter und Dichterinnen bei uns zu Hause. Keiner von diesen Leuten hätte Verdacht geschöpft, dass ich nicht ganz auf einer Spur wäre.

Im Gegenteil: Es war oft so, dass mich Männer in der Fashion-Szene beschimpften, dass ich nicht sexuell aggressiver sei, man sei das doch jetzt.

So ähnlich kommt mir das natürlich vor, wenn ich höre, dass Leute finden, im Buch fehle das Coming-out. Von Seite zu Seite – es ist das Coming-out. Es kann eben nur das rauskommen, was drin ist.

Was bedeutet für Sie queer und queeres Leben?

Queer ist der Aussenseiter, der den Mainstream verlassen hat. Der von ihm nicht eingeladen wird. Viele möchten ja gerne vom Mainstream eingeladen werden, schaffen es aber nicht. Manchmal denke ich, dass wir die Bedeutung dieses Wortes gar nicht so genau kennen.

Ich bin den Weg gegangen, den ich gehen wollte.

Homosexuell, heterosexuell: Hat das für Sie irgendwann mal eine Rolle gespielt?

Nein. Der Homosexuelle muss sich dauernd outen und sagen: «Guten Tag, ich bin homosexuell oder queer.» Hat irgendein Heterosexueller das je nötig gehabt?

Meine Sexualität hat mit diesen Kategorien nichts zu tun, sie ist einfach meine Privatangelegenheit. Nicht, dass ich nicht darüber sprechen würde. Aber ich müsste sehr viel ausführlicher über meine Sexualität sprechen, so wie ich sie lebe, fühle, erhoffe und mir vorstelle – es ist zu vielschichtig.

Manchmal ist es auch nicht gut gegangen.

Woher kommt diese Stärke zu sagen: «Hey, diese Kategorien sind mir doch egal»?

Es ist mir nicht egal. Ich bin den Weg gegangen, den ich gehen wollte. Manchmal ist es auch nicht gut gegangen. Nicht gut in dem Sinne, dass ich unaufmerksam war und nicht aufpasste. Als queerer Prominenter in New York stehst du nicht unter Naturschutz.

Natürlich schützte mich auch, was ich mitbrachte. Ich war beschützt durch mein Aussehen und mein Talent. Ich hatte mit diesen vielen kleinen Talenten einen Strauss, den ich den Leuten anbieten konnte – und man vergab mir.

Das Gespräch führte Nino Gadient.

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Homo, hetero, trans – Wie queer ist die Welt?
Aus Kulturplatz vom 23.10.2019.
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