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«Yes Men» verwirren Berlin Das steckt hinter der Aktion gegen Adidas an der Fashion Week

Eine Co-Chefin aus Kambodscha, eine Recycling-Kollektion von Pharrell Williams und eine ökologische Revolution: Die – vermeintliche – Ankündigung von Adidas an der Fashion Week sorgte für Aufregung. Was hat die Guerilla-Aktion erreicht?

Eine inszenierte Fake-Modeschau: Was ist da in Berlin passiert? Die New Yorker Kunst- und Aktivistengruppe «Yes Men» hat Modemagazine, Bloggerinnen und Influencer in die Irre geführt. Diese wurden an der Fashion Week zu einer angeblichen Adidas-Show eingeladen. Stattdessen wurden sie mit den katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Modebranche konfrontiert.

Eine Aktivistin mit Brandmal auf der Wange spielt ein Model.
Legende: Ein gebrandmarktes Model an der Fake-Show der Fashion Week. KEYSTONE/DPA/Gerald Matzka

Das sah so aus: Torkelnde Models mit Wunden, blauen Augen und Adidas-Brandzeichen auf der Wange präsentierten eine Recycling-Kollektion mit dem Namen «Reality Wear» – und brachen vor Erschöpfung zusammen.

Wie haben die Aktivisten das eingefädelt? Eine Medienmitteilung mit Adidas-Logo lud am Eröffnungstag der Fashion Week zu einer Show am gleichen Tag. Der neue Adidas-Chef Björn Gulden werde eine neue Co-CEO aus Kambodscha vorstellen und eine «Revolution für mehr soziale und ökologische Verantwortung» ankündigen. Zudem werde eine von den Popstars Pharrell Williams und Bad Bunny entworfene Kollektion gezeigt.

Wer sind die «Yes Men»?

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Zwei schwarz gekleidete Aktivisten vor einem Grabstein für das WEF in Davos.
Legende: Mike Bonanno (rechts) und Andy Bichlbaum, a.k.a «The Yes Men» beerdigen 2015 das WEF in Davos. KEYSTONE/Laurent Gillieron

Sie gelten als Schrecken der Grosskonzerne und sorgen immer wieder mit gefakten PR-Aktionen für Aufmerksamkeit. Bekannt wurden sie mit einer Fälschung der Website der Welthandelsorganisation WTO. Weitere Kampagnen richteten sich etwa gegen VW, Exxon Mobile, die «New York Times» oder auch das WEF in Davos.

Mike Bonanno (eigentlich Igor Vamos), ausserordentlicher Professor für Medienkunst am Rensselaer Polytechnischen Institut in New York, hat die Gruppe 1999 zusammen mit dem Science-Fiction-Autoren Andy Bichlbaum (Jacques Servin) gegründet.

Was war das Ziel der Aktion? Die grosse Bühne nutzen, um auf Missstände hinzuweisen. Eine kleine Lüge helfe, die Wahrheit zu enthüllen, sagt «Yes Men»-Mitbegründer Mike Bonanno dem Magazin «Spiegel» und erklärt: «Adidas inszeniert sich gern als progressiver Vorreiter der Branche. Aber wenn man hinter diese Inszenierung blickt, dann ist viel Ungerechtigkeit in ihrer Lieferkette.»

Ein Beispiel: Im Produktionsland Kambodscha sollen angeblich elf Millionen Euro Löhne von Adidas-Lieferanten aus der Coronazeit ausstehen. Für den Weltkonzern wären das «Peanuts», so Bonanno.

An einer inszenierten Modeschau trägt ein Mann ein zusammengeflicktes Kleidungsstück.
Legende: «Super Worker Protector»: Die «Kollektion», die an der Performance von «Yes Men» gezeigt wurde, machte auf Missstände in der Modebranche aufmerksam. KEYSTONE/DPA/Gerald Matzka

An der Aktion beteiligt war auch der Verein «Die Platte» aus Berlin, ein Ort, wo junge und diverse Mode präsentiert wird. Arne Eberle von der Platte war gegenüber der Berliner Zeitung «Tagesspiegel» erstaunt, wie viele Leute das «gefressen hätten». Bis zuletzt hätten viele Anwesende an eine gelungene PR-Aktion von Adidas geglaubt. «Für uns war es die beste Aktion, die wir je gemacht haben», so Eberle.

Wie fielen die Reaktionen aus? Anwesende fanden die Aktion mutig, einige Modemagazine fielen auf den Fake hinein. Medien berichteten weltweit und Adidas sah sich zu einer schnellen Reaktion gezwungen. Man stelle «faire und sichere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten seiner Lieferkette sicher», teilte Adidas mit.

«Yes Men» kamen bis jetzt meist ungeschoren davon. Bonanno würde sich eine Klage wünschen, wie er dem «Spiegel» sagte. Es werde oft damit gedroht, aber leider passiere es nie.

Was bringt die Aktion neben viel Publicity? Ob die Aktion die Modewelt verändert, sei dahingestellt. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind ohnehin grosse Themen in der Modewelt, auch an der Fashion Week.

Jedoch hätten es diese Themen in den Medien schwer, weil sie als unsexy und wenig glamourös gelten, sagt Diana Weis, Modejournalistin und Professorin für Modejournalismus in Berlin, gegenüber dem Deutschlandfunk. Da könne die clevere Aktion von «Yes Men» etwas ändern, so Weis: «Die Aktion wäre für Adidas auch eine Chance, sich zu den Forderungen zu verhalten.»

Frau mit Kind an deiner Performance.
Legende: Politische Statements statt Modeschau: Aktivistinnen nutzten die grosse Bühne, um ihre Forderungen zu platzieren. KEYSTONE/DPA/Gerald Matzka

Auch «Yes Man» Mike Bonanno hofft, dass Adidas unter ihrem neuen CEO die Aktion nicht nur als Kritik, sondern als Chance begreift – getreu ihrem Slogan «Impossible is nothing». «Es wird Zeit, dass sie dem nachkommen», so Bonanno.

Radio SRF 2 Kultur, 20.01.2023, 18:20 Uhr

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