James Currans «Football Crazy» von 1880 gilt als erster auf Notenpapier geschriebener Fussballsong. Er huldigt nicht nur dem Gekicke auf dem Rasen, sondern warnt auch eindringlich vor den Folgen häufigen Kopfballspielens.
In seiner popkulturellen Betrachtung des Fussballs beschäftigt sich Autor Gunnar Leue auch mit der Kommerzialisierung des Fussballs. Seine These ist, dass Musik dabei eine zentrale Rolle spielt.
Fans, DJs und Produzenten kommen in seinem Buch ebenso zu Wort wie die Ultra-Szene, die sich in ihren freimütigen Gesängen Luft verschafft, um gegen das Milliardengeschäft Fussball anzuschreien.
Helene Fischer ist unerwünscht
Ein markantes Beispiel hierfür liefert das DFB-Pokal-Final 2017. Während des Halbzeitprogramms tritt Schlagersängerin Helene Fischer auf, wird jedoch von den Frankfurter und Dortmunder Fankurven ausgebuht .
Ziel der Buhrufe war weniger der Schlagerstar selbst, sondern vielmehr der Deutsche Fussballbund und seine übertriebenen Vermarktungsstrategien.
Fussball und Kommerz
Ab den 1920er-Jahren beginnt der Hype um die Vermarktung eines Sports, mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Das war anfangs noch recht drollig bis unbeholfen, wenn Fussballer oder Clubs auch Reklame machten.
Frühe Beispiele für tönendes Fussball-Sponsoring kommen aus Österreich und der Schweiz. Der FC Zürich engagierte ein Jodelquartett, das nicht den Verein, sondern Bier bewarb.
Und bei Rapid Wien wurde der erfolgreiche Stürmer Josef Uridil in den 1920er-Jahren als Werbeikone genutzt. «Dem wurde ein Song gewidmet und kommerzmässig war der ganz vorne dabei. Da wurden Bier, Schokolade oder Seife verkauft», sagt Gunnar Leue.
Popstars Beckenbauer und Müller
Ab den späten 1960er-Jahren wird aus den lustigen Werbemelodien ein lukratives Geschäft: Fussballplatten erweisen sich als Geldquelle und liefern stimmungsvolle Begleitmusik zum rasanten kommerziellen Aufstieg des Fussballs nach Gründung der (Deutschen) Bundesliga im Jahr 1963.
Der deutsche Fussballer Franz Beckenbauer etwa sei ständig in den Medien aufgetaucht, sagt Gunnar Leue. «Es wurden Filmberichte über ihn gemacht, und zwangsläufig kam auch bald eine Schallplatte heraus.» Ebenso bei Gerd Müller. «Aber von der Qualität her, konnte man das vergessen», so Leue.
Von Schlager bis Avantgarde
Neben all den Pop- und Schlager-Platten rund um den Fussball, bleibt dennoch das Stadion mit seinen Fans das Mass aller Dinge. Hier gibt es alles, was den Sport erst zum Spektakel macht. Die Klangfarben sind so schillernd-bunt und verrückt wie der Fussball selbst.
Beim englischen Club Brighton legt DJ Attila the Stockbroker schon mal Avantgarde-Krautrock von Amon Düül auf oder irritiert mit Musik von Karlheinz Stockhausen. Beim 1. FC Union Berlin, dem Herzensclub von Gunnar Leue, wummert «Eisern Union» von Nina Hagen aus den Boxen.
Die Zeit des Kabinen-DJs
«Mittlerweile hat jeder Verein eine Stadion-Beschallung oder einen Stadion-DJ», sagt der Autor. Und jeder Verein habe einen Kabinen-DJ – «also einen Spieler, der da ein bisschen die ‹Mugge› auflegt, um seine Kollegen zu motivieren».
Mit «You’ll Never Sing Alone» zeigt Gunnar Leue, dass Fussball und Musik oft komische und unsterbliche Allianzen eingegangen sind: mal grell, mal schmalzig-doof, mal unverschämt gut und bieder und immer auch tränenselig.