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Zum 75. Todestag Annemarie Schwarzenbach: Reisen, schreiben – und fotografieren

Annemarie Schwarzenbach führte ein Leben, das aussergewöhnlich war für ihre Zeit. Nun wird das fotografische Werk der Reporterpionierin neu entdeckt: Zu Schwarzenbachs 75. Todestag stellt das Schweizerische Literaturarchiv ihre rund 3000 Reisebilder online.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Annemarie Schwarzenbach ist eine Pionierin der Reisereportage in Text und Bild.
  • Bis jetzt wurde sie vor allem als Autorin und weniger als Fotografin wahrgenommen.
  • Die 3000 Bilder von Annemarie Schwarzenbach sind ab heute auf Wikimedia Commons frei verfügbar. Zu sehen sind Landschaften, Städte, Architektur, Autos und die Reporterin selber.

Annemarie Schwarzenbach führte ein Leben, das aussergewöhnlich emanzipiert war für ihre Zeit. Auf eigene Faust bereiste sie Spanien, den Süden der USA, Nordeuropa, Afrika und dreimal Asien.

Via Balkan nach Indien

Die heute berühmteste Reise unternahm sie im Jahr 1939 gemeinsam mit der Reiseschriftstellerin Ella Maillart: Die beiden fuhren mit einem Ford von der Schweiz über den Balkan nach Persien und schliesslich nach Indien.

Ausschnitt einer Reisereportage von Annemarie Schwarzenbach

«Am gleichen Tag erblickte ich Indien. Auf der asphaltierten Khyber-Strasse flog der Wagen dahin, Wachttürme, Eisenbahnschienen, die Mauern des Fort Jamrud, der Bahnhof von Landi Kotal, Kurven, Signale, mir stockte der Atem. Und ich schrie mir zu: Du hast dich doch selber entschlossen, führst doch selbst das Steuer! Aber es waren Worte, Worte. Da lag, am Ende kühner Kurven, Indien. In der unermesslichen Ebene strömten der Indus und der Kabul-Fluss zusammen, am Rande der Strasse knieten betende Männer.»

Annemarie Schwarzenbach war überwältigt von ihren Eindrücken und hat diese in Text und Bild festgehalten – vornehmlich in der «Zürcher Illustrierten», die das neue Genre der Reisereportage stark pflegte, und in der «Nationalzeitung».

Iran, Meshed (Mashhad): Britisches Konsulat; Ella Maillart beim Beladen des Autos
Legende: Ella Maillart beim Beladen des Autos. Wikimedia

Menschen, Landschaften und Auto

Christa Baumberger vom Schweizerischen Literaturarchiv betreut Schwarzenbachs Nachlass. Die Sujets, die die Reporterin mit ihrer Leica festgehalten hat, seien einerseits Landschaftsfotografien: «Häufig finden wir aber auch Menschen in Landschaften, Städtebilder und Architekturfotografien. Alles, was sehr exotisch war für ihre europäischen oder Schweizer Augen, wie beispielsweise Moscheen, hat Schwarzenbach abgelichtet. Was ebenfalls auffällt: Sie inszenierte sich gerne selbst und auch ihr Automobil.»

Das kreative Archivieren

In der Regel bewahrte Annemarie Schwarzenbach die Negative auf und machte kleine Abzüge, die sie dann auf Karteikarten klebte, säuberlich beschriftete und mit einem Kommentar versah.

Afghanistan, Karokh / Herat: Gebäude; Karteikarte: Turm / Säulengang einer Moschee neben dem Schrein
Legende: Eine Karteikarte aus Afghanistan. Wikimedia

«Die Kommentare sind ironisch oder manchmal auch nüchtern. Zum Teil sind es fast schon kleine Erzählungen, die sie hinzufügt. Man sieht im Prozess des Archivierens bereits eine kreative Arbeit, die sie dann in Reportagen oder Berichte überführt», sagt Christa Baumberger.

Selbstverständnis als Reporterin

Die 3000 Reisebilder zeigen, dass sich Annemarie Schwarzenbach als Fotoreporterin verstanden hat – als Foto-Reporterin, die stark dem Dokumentarischen und Aufklärerischen verpflichtet ist und gleichzeitig einen ästhetischen Anspruch verfolgt.

Christa Baumberger erklärt: «Der Reporter-Beruf entstand in den 1920er-Jahren im Zuge der Neuen Sachlichkeit. Im Schreiben selbst, aber auch in der Fotografie zeigt sich, dass sie sich stark als Reporterin verstanden hat.»

Schaut man sich ihre Bilder an, so fällt auf, dass Annemarie Schwarzenbach ein Sujet häufig mehrfach und aus verschiedenen Blickwinkeln ablichtet – immer auf der Suche nach einer gültigen Ansicht.

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Unterbelichteter Schaffensbereich

Welche Rolle die Fotografie im Gesamtwerk von Annemarie Schwarzenbach spielt, wird zukünftige Forschungen beschäftigen, sagt Christa Baumberger: «Bislang wurde Schwarzenbach sehr viel stärker als Autorin wahrgenommen. Das ist auch der Bereich ihres Schaffens, der viel besser erforscht ist. Die Fotografien finden in letzter Zeit immer mehr Beachtung, auch wegen Ausstellungen zum Thema. Da gibt es noch viel zu erforschen. Unglaublich interessant ist die Kombination aus beidem. Das ist bis jetzt nicht eingehend beleuchtet worden.»

Die Kombination von Text und Fotografie – sie macht Annemarie Schwarzenbach zu einer Pionierin der Reisereportage, die es zu entdecken gilt.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 15.11.2017, 11.29 Uhr.

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