Drei Wochen lang putzt die liberale Jüdin Ora Mendelberg Haus und Herd. «Pessachmachen» nennt man das auch, was im übertragenen Sinne meint: «einer Sache richtig auf den Grund zu gehen». Das tut auch die Baslerin Schmadar Heid. Gesamthaft investiere sie eine Arbeitswoche.
Frühlingsputz de luxe
Nicht nur die Küche, sondern die ganze Wohnung, alle Kästen und Schubladen müssen jetzt von Brot- oder Getreideresten gereinigt werden. Sie sind nicht erlaubt an Pessach.
Das kommt so: Die Bibel erzählt, wie der Aufbruch aus Ägypten geschah. In der Eile blieb keine Zeit, den Brotteig aufgehen zu lassen. So wurden die Brotfladen ohne Sauerteig gebacken.
Um sich daran zu erinnern, darf während Pessach kein gesäuertes Brot verzehrt werden. Stattdessen gibt es knäckebrotartige «Matzen» und Gerichte aus Matzenmehl wie Matzenbrei oder feine Brühe mit Matzenknödel.
Jeder Krümel muss raus
Das speziell koschere Pessach will gut vorbereitet sein, erzählt Smadar Heid, die ein koscheres Catering betreibt. Gründlich entfernt sie allen «Chametz». So heisst alles, was während der Pessachwoche verboten ist: Getreide, Hefe, somit auch Bier oder Whisky – alles, was gegoren ist oder gären könnte. Jedes «Körnli» und «Krümeli» muss raus aus dem Haushalt.
Traditionelle Jüdinnen gehen ihren Chametz sogar symbolisch «verkaufen». Die orthodox geführte Gemeinde IGB in Basel organisiert das. So muss man das während der Pessachwoche Unkoscheres nicht wegwerfen, sondern kann den Chametz auswärts deponieren. Dabei helfen auch befreundete christliche Nachbarn.
Auch die liberale jüdische Gemeinde Migwan in Basel nimmt es genau mit den Koscherregeln für Pessach. Gemeindemitglied Ora Mendelberg erzählt: «Zum Beispiel das Besteck. Das muss bei 100 Grad abgekocht werden, bis das Wasser ‹Bubbles› macht, dann kann man es wieder herausholen. An Pessach verwenden wir in der Gemeinde spezielles Besteck und Geschirr. Alles andere wird ausgeräumt aus der Küche, die Schubladen versiegelt. Und die Oberflächen in der Küche abgedeckt mit einer Folie.»
Wozu dieser Aufwand? Warum diese Akribie? Orah Mendelberg versteht meine Frage nicht: «Es muss einfach alles keimfrei und sauber sein.» Das habe durchaus auch hygienische Gründe, sagt die Pflegefachfrau Mendelberg. Aber eigentlich ist es schlicht eine religiöse Tradition und Pflicht.
Dem Pessachstress entfliehen
Wem das alles zu aufwendig ist, geht zu Pessach gern auf Reisen. Dann sorgen koschere Hotels für den Pessachputz. In Israel ist jetzt normalerweise Hochsaison für jüdische Touristinnen und Touristen aus aller Welt. An Israel schätzt die nebenberufliche Köchin Smadar Heid auch die grössere kulinarische Vielfalt zu Pessach.
Aktuell ist die Lage in Israel aber so kritisch, dass viele nicht hinfliegen. Auch Smadar Heid nicht. Aber die Vorfreude auf Pessach lässt sie sich nicht nehmen und nimmt den Pessachputz beschwingt: «Ich putze meistens mit Musik. Mit Musik geht alles viel, viel einfacher und lockerer und schöner.»
Vielleicht nächstes Jahr wieder in Jerusalem. Denn so wünscht man sich zu Pessach und prostet: «Nächstes Jahr in Jerusalem!»