Zum Inhalt springen

Zum Pessachfest Darum wird jedes Jahr der Frühjahrsputz gepredigt

Am Montag beginnt das einwöchige Pessachfest. Religiöse Jüdinnen und Juden sind jetzt auf der Zielgeraden beim Frühjahrsputz. Denn: Bis zum Pessachfest muss alles sauber sein.

Drei Wochen lang putzt die liberale Jüdin Ora Mendelberg Haus und Herd. «Pessachmachen» nennt man das auch, was im übertragenen Sinne meint: «einer Sache richtig auf den Grund zu gehen». Das tut auch die Baslerin Schmadar Heid. Gesamthaft investiere sie eine Arbeitswoche.

Frühlingsputz de luxe

Nicht nur die Küche, sondern die ganze Wohnung, alle Kästen und Schubladen müssen jetzt von Brot- oder Getreideresten gereinigt werden. Sie sind nicht erlaubt an Pessach.

Eine Hand mit Lappen im Vordergrund, Hintergrund verschwommene Küche
Legende: Nicht nur wegen der Religion: Der Frühjahrsputz vor Pessach hat durchaus auch hygienische Gründe. Imago / Ekaterina Goncharova

Das kommt so: Die Bibel erzählt, wie der Aufbruch aus Ägypten geschah. In der Eile blieb keine Zeit, den Brotteig aufgehen zu lassen. So wurden die Brotfladen ohne Sauerteig gebacken.

Um sich daran zu erinnern, darf während Pessach kein gesäuertes Brot verzehrt werden. Stattdessen gibt es knäckebrotartige «Matzen» und Gerichte aus Matzenmehl wie Matzenbrei oder feine Brühe mit Matzenknödel.

Was sind Matzen?

Box aufklappen Box zuklappen
Matzen (ähnlich wie Knäckebrot) liegen auf dem Tisch, dazu Tücher und ein Wein mit Kelch.
Legende: IMAGO / Shotshop

Matzen, Mazze, Mazzen oder hebräisch Mazzot – sie spielen eine Hauptrolle auf dem festlichen Pessachtisch. Das ungesäuerte Brot erinnert an den eiligen Aufbruch und die Befreiung «aus dem Sklavenhaus» Ägypten.

Koschere Matzen werden in speziellen Mazzenbäckereien hergestellt. Die letzte Mazzenbäckerei der Schweiz in Lengnau wurde 2013 abgerissen.

Matzen sind in der Regel grosse Quadrate mit regelmässigen Löchern. Die speziell koschere Herstellung vor Pessach wird vom Rabbinat überwacht.

Auf der Festtafel liegen drei etwas dickere und besondere Mazzot übereinander, je dazwischen ein Tuch: Sie symbolisieren die drei «Stände» im Judentum: Die Kohanim (Tempelriester), die Leviten (Tempeldiener) und das Volk Israel. Alle müssen nun von jeder der drei Matzen ein Stückchen verzehren.

Spass für die Kinder: Am ersten Abend des Pessachfest, dem Seder («Ordnung»), wird ein Stück Matze in der Wohnung versteckt. Die Kinder müssen diesen sogenannten Afikoman nun wiederfinden.

Jeder Krümel muss raus

Das speziell koschere Pessach will gut vorbereitet sein, erzählt Smadar Heid, die ein koscheres Catering betreibt. Gründlich entfernt sie allen «Chametz». So heisst alles, was während der Pessachwoche verboten ist: Getreide, Hefe, somit auch Bier oder Whisky – alles, was gegoren ist oder gären könnte. Jedes «Körnli» und «Krümeli» muss raus aus dem Haushalt.

Traditionelle Jüdinnen gehen ihren Chametz sogar symbolisch «verkaufen». Die orthodox geführte Gemeinde IGB in Basel organisiert das. So muss man das während der Pessachwoche Unkoscheres nicht wegwerfen, sondern kann den Chametz auswärts deponieren. Dabei helfen auch befreundete christliche Nachbarn.

Warum wird Pessach gefeiert?

Box aufklappen Box zuklappen

Pessach ist das Fest der Befreiung, des Fragestellens und der jüdischen Identität. Das Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Beschrieben ist das im gleichnamigen biblischen Buch «Exodus».

Das Fest dauert acht Tage. Besonders ist der erste (und ausserhalb Israels auch der zweite) Abend, der sogenannte «Sederabend»: Da wird aus der «Haggadah», der Pessacherzählung, gelesen und gesungen.

2024 dauert das Pessachfest vom 22. bis zum 30. April.

Das Pessachfest ist Erinnerungsmahl und fröhliches Fest zugleich: Es erinnert an die Unterdrückung und an die Befreiung des jüdischen Volkes.

Es werden Speisen gereicht, die an die Ereignisse des Auszugs aus Ägypten erinnern: Matzen, geröstetes Lamm, bittere Kräuter und Meerrettich, die an die Bitterkeit der Sklaverei erinnern, sowie süsses «Charosset» aus Äpfeln, Nüssen und Wein, die den Lehm beim Pyramidenbau nachahmen. Dazu werden in bestimmten Abständen vier Gläser Wein getrunken, die die vier Verheissungen Gottes an das Volk symbolisieren: Gott will die Juden aus Ägypten herausführen, sie erretten, erlösen und als sein Volk annehmen.

Im Christentum hallt das Pessachfest zu Ostern nach: Die letzte Mahlzeit Jesu mit seinen Jüngern, das Abendmahl, war ein Essen zum Pessachfest.

Auch die liberale jüdische Gemeinde Migwan in Basel nimmt es genau mit den Koscherregeln für Pessach. Gemeindemitglied Ora Mendelberg erzählt: «Zum Beispiel das Besteck. Das muss bei 100 Grad abgekocht werden, bis das Wasser ‹Bubbles› macht, dann kann man es wieder herausholen. An Pessach verwenden wir in der Gemeinde spezielles Besteck und Geschirr. Alles andere wird ausgeräumt aus der Küche, die Schubladen versiegelt. Und die Oberflächen in der Küche abgedeckt mit einer Folie.»

Wozu dieser Aufwand? Warum diese Akribie? Orah Mendelberg versteht meine Frage nicht: «Es muss einfach alles keimfrei und sauber sein.» Das habe durchaus auch hygienische Gründe, sagt die Pflegefachfrau Mendelberg. Aber eigentlich ist es schlicht eine religiöse Tradition und Pflicht.

Dem Pessachstress entfliehen

Wem das alles zu aufwendig ist, geht zu Pessach gern auf Reisen. Dann sorgen koschere Hotels für den Pessachputz. In Israel ist jetzt normalerweise Hochsaison für jüdische Touristinnen und Touristen aus aller Welt. An Israel schätzt die nebenberufliche Köchin Smadar Heid auch die grössere kulinarische Vielfalt zu Pessach.

Mann in Hotel-Küche reinigt eine Pfanne mit einer Flamme
Legende: Gut ausgerüstet: In den Hotel-Küchen ist die Reinigung etwas einfacher als zuhause. IMAGO / ZUMA Wire

Aktuell ist die Lage in Israel aber so kritisch, dass viele nicht hinfliegen. Auch Smadar Heid nicht. Aber die Vorfreude auf Pessach lässt sie sich nicht nehmen und nimmt den Pessachputz beschwingt: «Ich putze meistens mit Musik. Mit Musik geht alles viel, viel einfacher und lockerer und schöner.»

Vielleicht nächstes Jahr wieder in Jerusalem. Denn so wünscht man sich zu Pessach und prostet: «Nächstes Jahr in Jerusalem!»

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 18.04.2024, 07:06 Uhr.

Meistgelesene Artikel