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Heilpflanze des Jahres 2022: Die Brennnessel
Aus Kultur-Aktualität vom 30.12.2021. Bild: Imago / Chromorange
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Heilpflanze des Jahres 2022 Ein Kraut für die Nieren und gegen Dämonen

Die Brennnessel ist heilend, spirituell – und trotzdem unbeliebt. 2022 wird sie Heilpflanze des Jahres. Ein Kraut mit Kulturgeschichte.

Sie trägt viele Namen, die meisten sind wenig schmeichelhaft: Pickmadam, Schweinsrose, Teufelskraut. Dabei dient das mit Brennhaaren bewaffnete Kraut auch als Raupennahrung, Entgiftungstee und soll gar spirituelle Kräfte besitzen. Die unterschätzte Allrounderin wird 2022 Heilpflanze des Jahres.

Die Nebenrollen der Brennnessel

Das meist unbeliebte Kraut hat Erstaunliches zu bieten. Ludwig Fischer widmete der Brennnessel und ihrer Kulturgeschichte vor einigen Jahren ein ganzes Büchlein.

Buchhinweis

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Ludwig Fischer: «Brennnesseln». Matthes & Seitz, 2017.

Funde bezeugen, dass die Nessel schon vor 30'000 Jahren als Faserlieferantin diente. Und in unzähligen Texten, religiösen, aber auch in Sagen und Märchen ist die Rede von der Brennnessel. In Hans Christian Andersens Märchen «Die wilden Schwäne» muss eine Prinzessin unter Schmerzen aus Brennnesseln Hemden weben, um in Schwäne verzauberte Königssöhne zurück zu verwandeln.

Foto von blühenden Brennnesseln im Sonnenlicht: Grüne, gezackte Blätter und hängende, leicht violette Samenknäuel.
Legende: In Erzählungen macht die Brennnessel eine schlechte Falle. Dabei wurde sie schon früh als Nutz- und Heilpflanze entdeckt. imago / Gottfried Czepluch

In der Bibel sind Nesseln noch hauptsächlich Übel und Mühsal. Wer bestraft wird von einem Gottesgericht, dem sollen, wie in Jesaja 34:13 beschrieben, Nesseln und Disteln in seinen Schlössern wachsen.

Ein Kraut für die Nieren

Trotzdem: Als Heilpflanze ist die Brennnessel seit der Antike ein wichtiges Kraut. Der römische Naturkundler Plinius empfahl sie besonders bei Nierensteinen, aber auch bei Nasenbluten, Geschwüren, Gelenkschmerzen und Uterusleiden. Der griechische Arzt Hippokrates schrieb ihr eine blutreinigende Wirkung zu.

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Die Heilpflanze Brennessel hilft bei Beschwerden im Unterleib
aus Musikwelle Magazin vom 05.12.2016. Bild: Colourbox
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Im fast 1000 Jahre alten Werk der Nonne Hildegard von Bingen über die Ursachen und Behandlungen von Krankheiten nimmt die Brennnessel viel Platz ein. Die berühmte Heilkundlerin betonte die Vielseitigkeit der Urtica dioica. Denn jeder Teil der Brennnessel lässt sich verwenden: die Fasern, um Bast herzustellen, Blätter und Samen für Nahrung, Tees, Heilfasten und Kräuter.

Ein Pflänzlein im Kampf gegen Dämonen

Doch die Brennnessel ist nicht nur in der Naturheilkunde beliebt: Sie soll auch spirituelle Kräfte haben, Dämonen und böse Unholde abwehren. Zum Jahreswechsel wurden im Mittelalter Haus und Stall mit getrockneten Nesselblättern geräuchert.

Der Struwwelpeter-Autor Heinrich Hoffmann schliesslich schrieb für die verkannte Pflanze 1849 ein hymnisches Loblied in etwas holprigen Versen.

Loblied auf die Brennnessel

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Der Struwwelpeter-Autor Heinrich Hoffmann schrieb 1849 ein hymnisches Loblied auf die Brennnessel in etwas holprigen Versen.

Brennessel, verkanntes Kräutlein, Dich muss ich preisen,
Dein herrlich Grün in bester Form baut Eisen,
Kalk, Kali, Phosphor, alle hohen Werte,
Entspriessend aus dem Schoss der Mutter Erde,
Nach ihnen nur brauchst Du Dich hinzubücken.
Die Sprossen für des Leibes Wohl zu pflücken,
Als Saft, Gemüse oder Tee sie zu geniessen,
Das, was umsonst gedeiht in Wald, auf Pfad und Wiesen,
Selbst in noch dürft’ger Grossstadt nahe dir am Wegesrande,
Nimm’s hin, was rein und unverfälscht die gütige Natur
Dir heilsam liebend schenkt auf ihrer Segensspur!

Eine verdiente Siegerin

Ein Wunderkraut also diese Brennnessel – für Mensch und Tier. Ohne sie könnte der Schmetterling «kleiner Fuchs» nicht existieren.

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Brennnesseln beflügeln Schmetterlinge
aus Ratgeber vom 10.05.2019. Bild: Silvia Meister / SRF
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Sie vertreibt, getrocknet und verbrannt, zum Jahreswechsel böse Geister, entgiftet als Tee den Körper und schmeckt als Gemüse erst noch gut. Sie verdient also die Wahl zur Heilpflanze des nächsten Jahres.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 30.12.2021, 17:10 Uhr;

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