Albumtipp
Schmerzhafte Trennung: Zehn Jahre nach dem ersten Kult-Fernsehauftritt der amerikanischen Synth-Pop-Band Future Islands ist die Band noch immer ein Publikumsliebling – vor allem dank Frontmann Samuel T. Herrings gewaltiger Stimme, ausladenden Dance-Moves und einnehmenden Texten. Herring trug sein Herz schon immer auf der Zunge. Meistens schmerzte es ihn. Umso schöner, konnte er beim letzten Album (2020) die endlich gefundene grosse Liebe besingen. Vier Jahre später sieht die Welt wieder ganz anders aus: Noch während der Arbeiten am neusten Album wurde er verlassen. Und so wurde aus sieben süssen Lovesongs ein emotionales, wuchtiges Breakup-Album: «People Who Aren’t There Anymore».
Filmtipp
Filmische Zeitreise: Oberflächlich wirkt «Die Theorie von Allem» wie ein Trip in alte Filmwelten: Noir-Ästhetik, Hitchcock-Zitate, Breitleinwand und orchestrierte Tonspur. Doch mit Nostalgie hat das wenig zu tun: Die Geschichte eines jungen Quantenmechanikers, der 1962 an einem Kongress in der Schweizer Bergwelt den Boden unter den Füssen verliert, folgt einer Logik der Verwirrung. Filmzitate werden wach wie radioaktive Geister, während der Forscher hadert mit Zeitschlaufen und totgeglaubten Doppelgängern. Wird er leben? Und: Ist Liebe unsterblich? (Georges Wyrsch)
Bühnentipp
Glanzvolles Schauspiel: Cyrano de Bergerac, das ist der Mann mit der Nase. Seit Edmond Rostand das Versdrama 1897 herausgebracht hat, feiert der Musketier mit dem charakteristischen Riecher Triumphe auf den Bühnen und im Kino. Nun kämpft er auch im Theater Biel-Solothurn um die Liebe seiner Roxane, in einer Inszenierung, mit der sich die Schauspielchefin Katharina Rupp verabschiedet. Das glanzvolle Schauspieltheater zieht alle komödiantischen Register: tolles Ensemblespiel, Musik, barocke Bilder, Fechtszenen – so richtig Mantel und Degen! (Andreas Klaeui)
Literaturtipp
Dunkle Familiengeschichte: In seinem neuen Roman «Die rote Mütze» erweist sich der Westschweizer Autor Daniel de Roulet einmal mehr als begnadeter Erzähler. Es geht um junge Schweizer, die sich zur Zeit der Französischen Revolution aufseiten des Königs als Söldner verdingten. Wegen einer Meuterei wurden sie drakonisch bestraft: Haft, Folter, Hinrichtung. Die Menschenschinderei geschah auf Geheiss des Besitzers des Regiments, in dem die Söldner dienten, einem skrupellosen Militär mit Namen Jacques-André de Châteauvieux. Pikant: Er war ein Vorfahre von Daniel de Roulet – und ein dunkler Fleck in der Familiengeschichte. Er schreibe mit diesem Buch seinen Vorfahren an, um «den Kreis der Mörder zu verlassen», so der Autor. «Die rote Mütze» bietet Lektüregenuss pur: erhellend, rasant erzählt und packend. (Felix Münger)
Konzerttipp
Vielversprechendes Programm: Die Schweizer Geigerin Patricia Kopatchinskaja sucht das Existenzielle in der Musik und bricht den mitunter starren Klassik-Betrieb mit ihren energetischen Performances auf. Bestens geeignet dafür: das Violinkonzert von György Ligeti. Für ihre Interpretation wird die Grammy-Gewinnerin nicht nur virtuos geigen, sondern auch singen. Und das Kammerorchester Basel stockt bei der Perkussion auf und erweitert sich um verstimmte Okarinas und asiatische Lotusflöten. «Gegen das Establishment» heisst das vielversprechende Programm mit zwei Mal Ligeti und ein Mal Gustav Mahler. (Theresa Beyer)