Fast schon ikonografisch ist seine Eule. Zig Variationen gibt es von ihr. Sie gilt als Emblem des Künstlers, seit er sie 1957 lesend für das Image-Plakat der Schweizer Buchbranche malte.
Die Bilder des Schweizer Grafikers Celestino Piatti sind vielen heute noch präsent. Er hat über 6000 Buchcover für den Deutschen Taschenbuchverlag gestaltet, Briefmarken und Plakate entworfen und zahlreiche Schweizer Kinderbücher illustriert. Sein Markenzeichen: Leuchtende Farben, umrahmt von schwarzen Konturen.
Vor allem Tiere hat Celestino Piatti gemalt – Tiere als eigenständige Wesen, die dem Menschen etwas zu sagen haben. Barbara Piatti, seine Tochter, erinnert sich so: «Mein Vater sagte immer: ‹Die Eule kann alles. Sie kann verliebt, traurig, melancholisch und hässig schauen. Alle Gefühle spiegeln sich – wie auf dem menschlichen Gesicht.›»
Umfangreicher Nachlass
Zum 100. Geburtstag ihres Vaters haben Piattis Tochter Barbara und der Grafiker Claudio Miozzari einen opulenten Bildband veröffentlicht. Darin enthalten sind bekannte Werke von Celestino Piatti, aber auch bislang Unentdecktes.
Piattis Nachlass ist umfangreich und vieles wird seit dem Tod des Künstlers vor 14 Jahren aufbewahrt. In einer Lagerhalle in Grellingen in Baselland stapeln sich die Werke.
Zum Jubiläum öffnet Barbara Piatti das Atelier ihres Vaters: «Man bekommt sehr viel mit von der Arbeitsatmosphäre, wie handwerklich alles war, wie analog.»
Hier macht es für Besucherinnen und Besucher noch immer den Anschein, als schaue man Celestino Piatti bei der Arbeit über die Schulter. Da stehen noch immer der abgewetzte Ledersessel, sein Arbeitstisch, Stifte, Pinsel, ja sogar eingetrocknete Farben.
Neue Seiten ihres Vaters entdeckt
Barbara Piatti hat ihren Vater überwiegend als alten Mann erlebt. Sie wurde geboren, als er bereits über 50 Jahre alt war. Durch die Arbeit an dem Buch über ihren Vater hat sie neue Facetten an ihm entdeckt. Sie hat seinen Nachlass schrittweise erkundet, Briefe an seine Auftraggeber wie den Uhrenhersteller Rolex studiert.
Piatti entwarf Mitte der 1970er-Jahre das Plakat für eine Taucheruhr. Rolex wollte Wellen, Muscheln und Sand. Piatti dagegen entwarf dunkle Tiefsee.
An Rolex schrieb er: «Ich muss eine gewisse künstlerische Freiheit ausüben können, sonst wird es irgendein Uhrenplakat und kein Rolexplakat.» Für Barbara Piatti war das eine neue Seite ihres Vaters. «Als Kind habe ich solche Szenen nicht erlebt. Was ich in den früheren Brief las, war für mich ein neuer Charakterzug von ihm.» Piatti hat sich durchgesetzt. Es blieb bei der Tiefsee.
Er hauchte den Dingen Leben ein
Der Bildband über ihren Vater trägt den Titel «Alles, was ich male, hat Augen». Die Worte sind Piatti eigene Worte. Er war der Ansicht, dass jedes Objekt beseelt sei, erinnert sich die Tochter.
«Er war kein religiöser Mensch, oder ich habe das jedenfalls nicht so erfahren. Aber diese Zuneigung zur Schöpfung und Respekt gegenüber allem, was belebt ist, zieht sich durch.»
Ob die Sonne auf einem Plakat für Ovomaltine oder die Rose auf einem Plakat für ein Schweizer Kinderdorf in Israel, nahezu alles hat Augen. Manchmal malte Piatti auch nur eines, wie bei seiner verschmitzten Meerjungfrau. Man vermisst das andere Auge gar nicht, weil dieses kokette Wesen uns zuzuzwinkern scheint.