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25 Jahre Tate Modern Londons «Kunstkraftwerk» wird zum Sanierungsfall

Die Tate Modern wird 25 Jahre alt. Aber statt zu feiern, muss das Londoner Mega-Museum über die Bücher. Denn das Publikum schwindet.

Direktorin Karin Hindsbo gestaltet das Jubiläum zum 25-jährigen Bestehen der Tate Modern ganz ohne Pomp. Allerdings nicht ganz freiwillig. Denn die Tate hat Geldsorgen, weil das Publikum nicht mehr so zahlreich vorbeischaut. Im März 2025 wurde ein Einstellungsstopp verfügt, um das Budget wieder ins Lot zu bringen. Unter diesen Vorzeichen wäre eine pompöse Feier nicht angezeigt.

Was die Tate Modern besonders macht

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Die Tate Modern wurde am 12. Mai 2000 eröffnet. Sie liegt am Südufer der Themse, gegenüber der St. Pauls-Kathedrale und in Sichtweite der glitzernden Glastürme des Londoner Finanzdistrikts, der «City». Bis zur Eröffnung der Tate Modern war das Südufer der Themse ein ehemaliges Industriegebiet mit vielen brachliegenden Gebäuden und Grundstücken. Die Tate Modern entstand in einem 1981 stillgelegten Elektrizitätswerk.

1995 begann der Umbau, geleitet durch die bis dahin international wenig bekannten Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Sie entrümpelten die grosse Turbinen-Halle im Herzen des Gebäudes, bewahrten die Backstein-Fassade des ehemaligen Kraftwerks und erstellten Ausstellungsflächen auf elf Stockwerken.

2016 zeichneten Herzog & de Meuron auch für den Erweiterungsbau, heute Blavatnik-Building genannt, verantwortlich. Darin bekamen Live-Kunst und -Performances mehr Raum.

Hindsbo geht lächelnd darüber hinweg: «Wir machen, was wir am besten können: Wir bringen Kunst, Künstler und Künstlerinnen mit Kunst-Interessierten zusammen – übers Jubiläumswochenende hinaus.» Sie sei sicher, dass auch Politikerinnen oder Politiker vorbeischauen würden.

Jubiläum fürs Volk

Es ist ein Kunst-Happening für alle, statt für wenige – und erst noch gratis. Das streicht die Tate Modern-Direktorin heraus. Bei der Eröffnung der Tate Modern im Mai 2000 hatte sich Königin Elizabeth II. die Ehre gegeben.

Eine Frau mit Hut berührt mit behandschuhter Hand eine rote Kiste.
Legende: Fingerspitzengefühl Marke Samthandschuh: Auch Queen Elizabeth II. war da, als das von den Schweizer Ausnahme-Architekten Herzog & de Meuron umgebaute Elektrizitätswerk an der Themse am 11. Mai 2000 feierlich eröffnet wurde. Keystone/KIERAN DOHERTY

Zahlreiche Politiker und Politikerinnen waren zugegen gewesen, darunter Labour-Premierminister Tony Blair sowie Kulturministerin Ruth Dreifuss aus der Schweiz. Im Rampenlicht standen damals auch die Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die das ehemalige Kraftwerk in ein vibrierendes Kunsthaus verwandelt.

Tate-Takes – Diese Ausstellungen sorgten für Aufsehen

Die Tate Modern ist das Haus für moderne und zeitgenössische Kunst der Tate-Gruppe, die aus vier Häusern besteht. Aber die «Tate» ist in die roten Zahlen geschlittert. Hauptgrund: Ausländische Besucherinnen und Besucher sind nach der Corona-Pandemie nicht so zahlreich zurückgekehrt sind wie erwartet.

Die Tate Modern empfing vor der Pandemie, im Rekordjahr 2019, über 6 Millionen Besucherinnen und Besucher. Im vergangenen Jahr waren es noch 4.7 Millionen Besuchende, ein Minus von rund 25 Prozent.

So will die Tate Modern mehr Geld machen

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Die Tate-Gruppe verfügte 2024 über ein Jahresbudget von 156 Millionen britischen Pfund, umgerechnet also 172 Millionen Franken. Wie viel davon auf die Tate Modern entfällt, legt die Kultur-Stiftung nicht offen. Rund ein Drittel der Einnahmen kommt als Subventionen aus der Staatskasse. Zwei Drittel generiert die Tate selbst – unter anderem aus Spenden, Schenkungen und Mitgliederbeiträgen.

Ticket-Einnahmen bringen nur einen einstelligen Millionen-Betrag ein, da die britische Regierung im Jahr 2001 verfügt hat, dass staatlich-subventionierte Museen gratis zugänglich sein sollen. Lediglich für Sonderausstellungen dürfen Museen Eintritt verlangen.

Die Tate sowie die Tate Modern mussten sich deshalb neue Geldquellen erschliessen – mit der Vermietung ihrer Räume für Firmen-Anlässe, mit Catering, mit Bars und Restaurants sowie mit grossen Museums-Boutiquen. Und nicht zuletzt mit Sponsoring- und Marken-Partnerschaften. In der Tate Modern betreibt die Modekette Uniqlo beispielsweise eine Spezialboutique, in der viele Kleider mit aufgedruckten Kunstwerken verkauft werden. Wie viel die Partnerschaften einbringen, legt die Tate-Gruppe nicht offen. Im Jahresbericht 2024 ist ersichtlich, dass Raumvermietungen, Spezialevents, Bars, Restaurants sowie Tate-Markenprodukte – wie Bücher, Geschirr oder Esswaren – inzwischen jährlich über 40 Millionen Franken einbringen und damit bereits ein Viertel des Budgets abdecken. Hier will die Tate weiter zulegen und den Gastro- und Shop-Bereich kräftig ausbauen.

Doch das ist nicht unproblematisch: Wenn weniger Gäste in die Tate-Museen kommen, wird weniger konsumiert – und damit sinken die kommerziellen Einnahmen.

«Damit bleiben wir eines der meistbesuchten Museen des Landes und haben nach wie vor fast doppelt so viele Besucher wie vergleichbare Häuser – wie beispielsweise das Museum of Modern Art in New York», verbreitet Karin Hindsbo Optimismus. «Wir sind längst etabliert. Und das müssen wir etwas aufbrechen – und wieder rebellischer werden.»

Karin Hindsbo im Tate Modern
Legende: Die dänische Kunsthistorikerin Karin Hindsbo wurde 2023 Direktorin der Tate Modern. SRF

Das sieht der Feuilleton-Chef der konservativen britischen Tageszeitung «The Times», Richard Morrison, anders. Die Tate sei zu «woke», zu politisch und vergraule damit das Publikum. Sie täte gut daran, die gegenwärtigen Schwierigkeiten als Weckruf zu verstehen.

Er sagt: «Museen und Galerien, die politische Inhalte auf ein Minimum beschränken und mit Entschlossenheit Partnerschaften eingehen, finden auch das nötige Geld, um aufsehenerregende Ausstellungen zu organisieren, die das Publikum sehen will.»

Picasso soll es richten

Tate-Direktorin Karin Hindsbo weist den Vorwurf zurück: «Wir verfolgen keine politische Agenda.» Die Tate Modern bringe Kunst-Interessierte mit Kunst-Schaffenden zusammen. Viele zeitgenössische Künstler setzten sich mit politischen Themen auseinander. «Sie deshalb nicht mehr zu zeigen, wäre falsch.»

Hindsbo hofft, dass das diesjährige Programm – mit Picasso sowie australischer und nigerianischer Kunst – wieder mehr Leute anlocken wird.

Ausstellungshinweis

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Tate Modern Museum in London mit Themse im Vordergrund.
Legende: Getty Images/Alishia Abodunde

Das Londoner «Kunstkraftwerk», die Tate Modern, zeigt zu ihrem 25 Jubiläum zwei neue Ausstellungen:

  • «Gathering Ground» (bis 4. Januar 2026) beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen der ökologischen Krise und sozialer Ungerechtigkeit.
  • «A Year in Art 2050» (fortlaufend) zeigt Zukunftsvisionen und wirft einen Blick darauf, wie neue Technologien unser Leben verändern.

Zudem bildet die «zurückgekehrte» Bronze-Skulptur von Louise Bourgeois, «Maman», einen Ausgangspunkt für die Erkundung eines neuen Parcours von 25 Schlüsselwerken aus der Ausstellungs-Geschichte der Galerie.

SRF 1, Tagesschau, 12.5.2025, 19:30 Uhr

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