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Kunst Alfred Flechtheim: Website verschärft den Streit um NS-Raubkunst

15 Museen veröffentlichen im Netz ihre Nachforschungen zur Herkunft von Werken aus den Galerien Flechtheim. Die neue Website befeuert den Streit um das Erbe von Alfred Flechtheim. Der jüdische Sammler wurde von den Nazis vertrieben und enteignet. Seine Erben fordern Kunstwerke zurück.

Eigentlich dürfte das in Düsseldorf präsentierte Flechtheim-Internetprojekt gut gemeint sein. 15 Museen haben sich an alfredflechtheim.com beteiligt und veröffentlichen auf der Website die Ergebnisse ihrer Herkunftsforschung. Damit wollen sie die so genannte Provenienzforschung vorantreiben.

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Erben fordern Werke zurück

Das Internet-Projekt zieht aber den Ärger der Nachkommen von Alfred Flechtheim auf sich. Das hat mehrere Gründe: Zum einen könnte es sein, dass die Erben spät oder gar nicht über das Projekt informiert wurden, vermutet der Kunstexperte Christian von Faber-Castell.

Darüber hinaus fürchten die Erben wohl, dass die Museen versuchen, sie mit diesem Projekt abzuspeisen. Dass die Museen ihnen keine Werke zurückerstatten wollen, so der Experte weiter: «Ganz nach dem Motto: Wir ehren ihren Vorfahren, aber dafür gibt es kein Geld.»

Faber-Castell verweist darauf, dass vor allem expressionistische Bilder aus dem Nachlass in den letzten Jahren viel an Wert dazugewonnen haben. Das verstärke das Interesse der Erben. Aber nicht nur das der Erben. Faber-Castell vermutet, dass auch Auktionshäuser dahinter stehen.

Was ist auf dieser Website?

Glanzstücke von albertflechtheim.com sind die gesammelten Informationen zu über 300 Kunstwerken. Das sieht bei jedem Kunstwerk so aus: Foto, Steckbrief, genaue Auflistung und Karte der verschiedenen Handels-Stationen, dazu immer auch ein Text zur Beziehung zwischen Flechtheim und dem Künstler.

Gut durchdacht ist auch die Suchfunktion. Man kann die Kunstwerke nach verschiedensten Kriterien suchen: Werktitel, Handelsjahr oder Händler sind nur drei von vielen Möglichkeiten zur Suche. Alfredflechtheim.com will etwas zwischen virtueller Ausstellung und vernetztem Kunstkatalog sein. Die Website wendet sich an Fachleute und ein interessiertes Laienpublikum.

Ein legendärer Kunstliebhaber, der sich für einen Kaufmann hielt

Der Name Alfred Flechtheim war in den 20er-Jahren, in der Weimarer Republik, ein Synonym für Avantgarde-Begeisterung und Kunstenthusiasmus. Er gehörte als Kunsthändler und Galerist, als Verleger und Sammler zu den grossen Wegbereitern der Moderne in Deutschland.

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Flechtheim hat die französischen Kubisten in Deutschland bekannt gemacht und sich für zeitgenössische Künstler engagiert. Er vertrat in seiner Galerie Beckmann und Klee, Picasso und Braque. In seinen besten Zeiten expandierte er von Düsseldorf nach Berlin, wurde zur unumgänglichen Kunstadresse, veranstaltete legendäre Galerie-Feste.

Flechtheim war ein passionierter Vermittler von Kunst und Künstlern – bis die Nationalsozialisten ihn als «Kunstjuden» diffamierten, verfolgten und faktisch in den Konkurs trieben. Er starb 1937 in London, seine Frau Betty nahm sich 1941 in Berlin das Leben. Viele Flechtheim-Bilder gingen in der Folge ungeklärte Wege, wurden verschleudert oder von den Nazis beschlagnahmt, von seinem Düsseldorfer Nachfolger möglicherweise auf eigene Rechnung verkauft und wechselten unter unklaren Umständen den Besitzer.

Wem gehören die Werke?

Die Geschäftsbeziehungen Flechtheims sind verwickelt. Sie sind schwierig zu rekonstruieren und nur teilweise noch dokumentiert. Nicht immer verlief bei ihm zwischen Kommissionsware und Besitz eine präzise Linie. Manche Bilder, die er offenbar aus steuerrechtlichen Gründen als Privatbesitz bezeichnete, sollen ihm nicht selber gehört haben. Von heute aus lässt sich die Frage nach Erbschaft und Eigentum, wenn überhaupt, nur schwer klären.

So finden sich auch auf der Website viele Fragezeichen oder die Angabe «unklar» bei den Herkunftsangaben. Den Experten und Gerichten, die über Besitzansprüche entscheiden müssen, bleibt oft nur das Abwägen zwischen diesen Unklarheiten und dem persönlichen Schicksal von Flechtheim und seiner Familie.

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