Zum Inhalt springen

Header

Audio
Nach der Natur: Schweizer Fotografie im 19. Jahrhundert
Aus Kultur-Aktualität vom 27.12.2021. Bild: Bisson Frères, Wellhorn und Wetterhorn, 1865, © Collection Nicolas Crispini, Genève
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 56 Sekunden.
Inhalt

Anfänge der Fotografie Die Schweiz vor der Linse: Vom Natur- zum Fahndungsfoto

Die Schweiz war Nachzüglerin in der Fotografie. Doch bald wurde alles eingefangen: Brückenpfeiler, Naturwunder, Migranten. Die Ausstellung «Nach der Natur» zeigt die Vielfalt der Fotosujets im 19. Jahrhundert.

Ein Ferienschnappschuss, das gerahmte Hochzeitsfoto, ein Maskenselfie: Die Fotografie ist heute massentauglich.

Nicht so im 19. Jahrhundert: Die Fotostiftung Schweiz zeigt in Winterthur 400 Fotografien, die von den Pionieren der damals bahnbrechend neuen Technik geknipst wurden. Die Schweizer Pioniere liessen zwar auf sich warten – dafür zeigten sich die Behörden avantgardistisch bei den Fahndungsfotos.

Walliser Wassermassen vor der französischen Linse

Mit gewaltigem Tosen brechen Wassermassen über Felsen in die Tiefe, spucken Gischt, rauschen gurgelnd ins Tal. Gebannt sieht ein Mann dem Spektakel zu. Die schwarzweisse Fotografie von 1864 zeigt die Pissevache, einen berühmten Wasserfall im Wallis. Geschickt nutzte der Fotograf lange Belichtungszeit und Komposition, um das Auge direkt ins Geschehen hineinzuführen.

schwarzweiss Fotografie Wasserfall, davor eine Holzkonstellation, in der Wiese steht ein Mann mit Hut
Legende: «Die Pissevache (Wallis)» aufgenommen um 1865. Der französische Fotograf Adolphe Braun fing auch andere Walliser Sujets wie den Rhonegletscher ein. Adolphe Braun / © Thomas Walther Collection

Ein Bild einer klassischen Schweizer Naturschönheit. Doch hinter der Linse stand kein Schweizer Fotograf – sondern der Franzose Adolf Braun.

Die Schweizer Fotografie boomt verspätet

25 Jahre nach der Erfindung der Fotografie scheinen die Schweizer noch etwas verschlafen: «Die Fotografie in der Schweiz hat sich ein bisschen langsamer entwickelt als im Ausland, wie zum Beispiel in Frankreich oder in England», sagt Martin Gasser. Zusammen mit Sylvie Henguely kuratierte er die Fotoausstellung «Nach der Natur». «Der richtige Boom, der setzt eigentlich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein.»

schwarzweiss Foto, vorne See, hinten riesige Gletschermasse, darauf ganz klein einige Menschen.
Legende: Der Deutsche Friedrich von Martens, auch Frédéric Martens, hält den «Märjelense» beim Aletschgletscher fest (um 1854). Friedrich von Martens / © Collection Nicolas Crispini, Genève

Die Ausstellung zeigt eindrücklich, wie die Bilder verbreitet wurden, welche wissenschaftliche, künstlerische und wirtschaftliche Bedeutung das junge Medium in der Schweiz mit leichter Verspätung erlangte. Bis dann Fotografie-Grössen wie Werner Bischoff oder Gotthard Schuh die Schweizer Reportage-Fotografie über die Grenzen des Landes hinaus bekannt machten.

Vom Brückenpfeiler bis zum Fahndungsfoto

Doch was wurde im 19. Jahrhundert in der Schweiz überhaupt abgelichtet? Nicht nur die Wunder der Natur, für die sich vor allem die ausländischen Touristen interessierten. Sondern auch, was neu und deshalb interessant schien: Städte, Brücken, Eisenbahnlinien oder Maschinen.

Das mit Abstand häufigste Motiv der Fotografie aber war – ganz wie heute noch in Zeiten von Facebook und Instagram – der Mensch: bei der Arbeit, beim Feiern, vor prachtvoller Kulisse.

schwarzweiss Fotografie Mädchen im Rock, sitzt und hält Strickzeug, schaut in Kamera.
Legende: Beliebtes Sujet Mensch: Emanuel Friedrich Dänzer lichtet um 1856 seine Tochter ab. («Die Tochter Marie des Fotografen») Emanuel Friedrich Dänzer / © Privatsammlung Liestal

Genau da, in einem besonderen Bereich der Portraitfotografie, war die Schweiz auch ein bisschen Avantgarde: bei der Fahndungsfotografie. «Nach der Staatsgründung 1848 hatten die Bundesbehörden und die kantonalen Behörden das Bedürfnis, Migranten, Heimatlose zu kontrollieren. Die Fotografie spielte als Identifikationsmittel eine grosse Rolle.»

So kann man in Winterthur auch jene Schweizerinnen und Schweizer betrachten, die sich nicht ganz freiwillig haben fotografieren lassen. Die Ausstellung offenbart tiefe Einblicke in ein Land, das so arm und so wild war, wie wir es uns heute kaum mehr vorstellen können.

Ausstellungshinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Die Ausstellung der Fotostiftung in Winterthur beleuchtet die Anfänge der Fotografie in der Schweiz.

«Nach der Natur» ist noch bis zum 30.01.2022 in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur zu sehen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 27.12.2021, 17:20 Uhr;

Meistgelesene Artikel