Die Schweiz stellt unter dem Titel «Neighbours», also Nachbarn, den eigenen Pavillon und den venezolanischen Nachbarn ins Zentrum der Ausstellung, die bis zum 26. November zu sehen sein wird.
Künstlerin Karin Sander und Kunsthistoriker Philip Ursprung haben die Nähe und Distanz, das Zusammensein und die Grenzen der beiden Pavillons herausgearbeitet. «Es gibt eine Mauer, die die Pavillons teilen, aber sie trennt sie auch. Man sieht gar nicht rüber. Das heisst, viele Leute wussten gar nicht, dass diese beiden Pavillons zusammengebaut sind», sagt Philip Ursprung.
Umnutzen statt umbauen
Für die Architektur-Biennale haben die Co-Kuratoren genau diese Mauer abgetragen und damit neue Perspektiven zum Nachbarn erschaffen. In Zukunft müsse sich Architektur mehr auf das Bestehende als auf das Neue konzentrieren, fordert Karin Sander. «Das sind retrograde Strategien, dass man nicht immer nur addiert, neu baut, sondern das, was da ist bearbeitet».
Keine anderen Pavillons in den Giardini della Biennale liegen so nahe beieinander wie der schweizerische und der venezolanische. Teils trennen sie nur wenige Zentimeter voneinander.
Aus zwei mach eins
Der Schweizer Pavillon wurde 1952 von Bruno Giacometti, dem Bruder des Schweizer Künstlers Alberto Giacometti, gebaut. Sein venezolanischer Nachbar wenige Jahre später vom venezianischen Architekten Carlo Scarpa. «Ganz sicher hat Scarpa geguckt, was da ist. Er benutzt die Aussenmauer des Schweizer Pavillons als eigene Aussenmauer, um nicht zwei Mauern zu bauen. Da ist ein Spiel, eine gemeinschaftliche Wahrnehmung zu spüren», so Philip Ursprung.
Die Schweiz und Venezuela – in der Realität sind die beiden Länder alles andere als Nachbarn, in Venedig aber stehen sie Wand an Wand. Mit dem Thema Nachbarschaft treffen Ursprung und Sander auch einen Nerv der Zeit.
Weltpolitik in Venedig
Die Pandemie, der Krieg in Europa und Spannungen rund um den Globus haben Grenzen und Nachbarschaft eine ganz neue Bedeutung gegeben. «Wie weit behält die Schweiz ihre Neutralität, wie weit öffnet sie sich in Richtung Europa oder ihren Nachbarn. Gerade jetzt mit diesen politischen Spannungen ist das ein ganz aktuelles Thema», so Sander.
Mit dem Abbau einer Mauer zeigt der Schweizer Pavillon, wie sich eine Nachbarschaft verändern kann. Was das mit einer Nachbarschaftsbeziehung macht, hängt aber schlussendlich von beiden Seiten ab.