In zwölf kleinen Schöpfen zeigen Klangkünstlerinnen und Soundartisten ihre Installationen im appenzellischen Gais am «Klang Moor Schopfe». Mehrere Arbeiten widmen sich ökologischen Themen.
Zum Beispiel die Installation des in Berlin lebenden Künstlers Marco Barotti. Er thematisiert die globale Plastikverschmutzung in Gewässern. Dafür hat er 79 Jakobsmuscheln aus recyceltem Industrieplastik hergestellt.
Die Muscheln klappern und geben Töne von sich. Erzeugt werden die Klänge durch einen Sensor, der 150 Meter entfernt in einem Bach versteckt ist und dort verschiedene Parameter der Wasserqualität misst.
Daten für die Wissenschaft
Solche Sensoren nutzen normalerweise Hydrologen für ihre Forschung. Für die Installation werden die Daten aus dem Sensor in Echtzeit in den Schopf übertragen und dort in Klänge umgewandelt und hörbar gemacht.
Damit nicht genug: «Nach dem Festival gebe ich die Daten einem lokalen Wissenschaftler weiter, der damit weiterarbeitet», erklärt Barotti.
Einen wissenschaftlichen Zugang verfolgt auch das Projekt «Noise Aquarium» eines Kollektivs aus Forscherinnen und Künstlern. Die Idee: Besucherinnen und Besucher tauchen mit einer Virtual-Reallity-Brille auf den Meeresgrund.
Dort müssen sie durch Körperbewegungen Plankton retten. Auf spielerische Weise soll so auf die Folgen von Mikroplastik für Tiere in den Weltmeeren aufmerksam gemacht werden.
Wissenschaft und Kunst kommen zusammen
«Oft hört man von bedrohten Delfinen oder Walen. Leider fressen aber auch Kreaturen wie Plankton am Meeresgrund Mikroplastik», erklärt Victoria Vesna, Projektmitglied von «Noise Aquarium» und Professorin für Medienkunst an der UCLA Universität in Los Angeles.
Die Trennung von Wissenschaft und Kunst sei eine Erscheinung des Industriezeitalters, so Vesna. Vor dem Industriezeitalter habe es diese Trennung nicht gegeben.
«Nun finden die beiden Disziplinen wieder zusammen.» In einer Welt, die zunehmend komplexer werde, sei es immer wichtiger, dass die Kunst Fakten vermittelt und diese so aufbereitet, dass sie von den Menschen verstanden werden.
Die Wissenschaft gehe vermehrt auf die Kunst zu – und die Kunstschaffenden könnten von den wissenschaftlichen Daten profitieren, so Vesna. «Wissenschaftliche Fakten definieren nun mal die Art und Weise, wie wir leben, das macht es für die Kunst interessant.»
Die Genfer Klangkünstlerin Julie Semoroz thematisiert in ihrer «Musik für die postindustrielle Konsumgesellschaft» die Folgen des künftigen 5G-Handynetzes auf Insekten. Im Zusammenhang mit 5G gebe es im Internet viele Falschinformationen. Es sei schwierig, auf Fakten basierte Arbeiten zu finden, so Semoroz.
Verletzliches Ökosystem
Für ihre Klanginstallation beziehe sie sich deshalb auf eine wissenschaftliche Studie, die im Fachmagazin Nature publiziert wurde. «Darin weisen Wissenschaftler nach, dass die Körpertemperatur von Insekten ansteigt, um so höherer Strahlung sie ausgesetzt sind.»
Die Inbetriebnahme des neuen Mobilfunknetzes 5G habe massive Auswirkungen auf Menschen und Tiere, erklärt Semoroz. «Ich liebe Technologie, aber ich verstehe nicht, weshalb die Gesellschaft diese zunehmende Verstrahlung einfach so hinnimmt», so Semoroz.
«Die Strahlung von 5G ist ein Quantensprung, über deren Konsequenzen wir noch nichts wissen», sagt die Künstlerin.
Das Audiokunst-Festival «Klang Moor Schopfe» stellt künstlerisch wichtige Fragen über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Wie verletzlich ein Ökosystem letztendlich ist, wird deutlich, wenn man sich bewusst in einem solchen aufhält und sich damit auseinandersetzt.