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«Klang Moor Schopfe»: Die Reportage aus Gais von Philipp Bürkler.
Aus Kultur-Aktualität vom 02.09.2019.
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Audiokunst-Festival Es klappert im Schopf

Wie wirkt sich 5G auf Insekten aus? Wie klingt Wasserqualität? Das Appenzeller Festival «Klang Moor Schopfe» will helfen, die Zusammenhänge einer komplexen Welt zu verstehen.

In zwölf kleinen Schöpfen zeigen Klangkünstlerinnen und Soundartisten ihre Installationen im appenzellischen Gais am «Klang Moor Schopfe». Mehrere Arbeiten widmen sich ökologischen Themen.

Zum Beispiel die Installation des in Berlin lebenden Künstlers Marco Barotti. Er thematisiert die globale Plastikverschmutzung in Gewässern. Dafür hat er 79 Jakobsmuscheln aus recyceltem Industrieplastik hergestellt.

Durchsichtige Jakobsmuscheln in einem Schopf.
Legende: Die durchsichtigen «Clams» von Marco Barotti. © Kasimir Höhener

Die Muscheln klappern und geben Töne von sich. Erzeugt werden die Klänge durch einen Sensor, der 150 Meter entfernt in einem Bach versteckt ist und dort verschiedene Parameter der Wasserqualität misst.

Daten für die Wissenschaft

Solche Sensoren nutzen normalerweise Hydrologen für ihre Forschung. Für die Installation werden die Daten aus dem Sensor in Echtzeit in den Schopf übertragen und dort in Klänge umgewandelt und hörbar gemacht.

Damit nicht genug: «Nach dem Festival gebe ich die Daten einem lokalen Wissenschaftler weiter, der damit weiterarbeitet», erklärt Barotti.

Schopf in nebliger Landschaft
Legende: In zwölf kleinen Schöpfen zeigen regionale und internationale Kunstschaffende ihre Klanginstallationen. Philipp Bürkler

Einen wissenschaftlichen Zugang verfolgt auch das Projekt «Noise Aquarium» eines Kollektivs aus Forscherinnen und Künstlern. Die Idee: Besucherinnen und Besucher tauchen mit einer Virtual-Reallity-Brille auf den Meeresgrund.

Dort müssen sie durch Körperbewegungen Plankton retten. Auf spielerische Weise soll so auf die Folgen von Mikroplastik für Tiere in den Weltmeeren aufmerksam gemacht werden.

Wissenschaft und Kunst kommen zusammen

«Oft hört man von bedrohten Delfinen oder Walen. Leider fressen aber auch Kreaturen wie Plankton am Meeresgrund Mikroplastik», erklärt Victoria Vesna, Projektmitglied von «Noise Aquarium» und Professorin für Medienkunst an der UCLA Universität in Los Angeles.

Die Trennung von Wissenschaft und Kunst sei eine Erscheinung des Industriezeitalters, so Vesna. Vor dem Industriezeitalter habe es diese Trennung nicht gegeben.

Victoria Vesna
Legende: Victoria Vesna thematisiert in ihrer Arbeit die Gefahr von schwindendem Plankton durch Mikroplastik. Philipp Bürkler

«Nun finden die beiden Disziplinen wieder zusammen.» In einer Welt, die zunehmend komplexer werde, sei es immer wichtiger, dass die Kunst Fakten vermittelt und diese so aufbereitet, dass sie von den Menschen verstanden werden.

Die Wissenschaft gehe vermehrt auf die Kunst zu – und die Kunstschaffenden könnten von den wissenschaftlichen Daten profitieren, so Vesna. «Wissenschaftliche Fakten definieren nun mal die Art und Weise, wie wir leben, das macht es für die Kunst interessant.»

Klang Moor Schopfe

Box aufklappen Box zuklappen

Das Festival dauert noch bis zum 8. September. Allabendliche Konzerte, DJ-Sets, Künstlergespräche sowie Führungen in der Natur runden das installative Programm in den Schöpfen ab.

Infos und Programm unter klangmoorschopfe.ch

Die Genfer Klangkünstlerin Julie Semoroz thematisiert in ihrer «Musik für die postindustrielle Konsumgesellschaft» die Folgen des künftigen 5G-Handynetzes auf Insekten. Im Zusammenhang mit 5G gebe es im Internet viele Falschinformationen. Es sei schwierig, auf Fakten basierte Arbeiten zu finden, so Semoroz.

Verletzliches Ökosystem

Für ihre Klanginstallation beziehe sie sich deshalb auf eine wissenschaftliche Studie, die im Fachmagazin Nature publiziert wurde. «Darin weisen Wissenschaftler nach, dass die Körpertemperatur von Insekten ansteigt, um so höherer Strahlung sie ausgesetzt sind.»

Julie Semoroz vor einem Schopf
Legende: Klangkünstlerin Julie Semoroz sorgt sich in ihren Arbeiten um die gesellschaftliche und technologische Beschleunigung. Philipp Bürkler

Die Inbetriebnahme des neuen Mobilfunknetzes 5G habe massive Auswirkungen auf Menschen und Tiere, erklärt Semoroz. «Ich liebe Technologie, aber ich verstehe nicht, weshalb die Gesellschaft diese zunehmende Verstrahlung einfach so hinnimmt», so Semoroz.

«Die Strahlung von 5G ist ein Quantensprung, über deren Konsequenzen wir noch nichts wissen», sagt die Künstlerin.

Das Audiokunst-Festival «Klang Moor Schopfe» stellt künstlerisch wichtige Fragen über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Wie verletzlich ein Ökosystem letztendlich ist, wird deutlich, wenn man sich bewusst in einem solchen aufhält und sich damit auseinandersetzt.

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