Fast scheint es, als wäre sie ein Phantom. Andere Künstlerinnen und Künstler veröffentlichen Fotos von sich und ihren Arbeiten, antworten auf Fragen. Florence Jung hält sich raus.
Eines vorweg: Es gibt sie wirklich. Florence Jung ist keine Kunstfigur. Im Vorfeld ihrer Zürcher Ausstellung plaudert die Französin, die in Biel lebt und arbeitet, bereitwillig mit SRF. Öffentlich will sie sich aber nicht äussern.
Mit Schweigen Aufmerksamkeit erzeugen?
Sich rar zu machen, ist eine bewährte Marketingstrategie. Doch die Künstlerin erklärt ihre Zurückhaltung anders: Sie wolle keine Sichtweise für ihre Kunst vorgeben.
Die Kunst von Florence Jung besteht hauptsächlich aus den Erfahrungen, die Besucherinnen und Besucher in den Räumen und Szenarien der noch nicht 40-jährigen Künstlerin machen.
Parcours durchs Unbewusste
Im Helmhaus Zürich laden Türen ein, durch sie hindurchzugehen. Manche lassen sich öffnen, manche nicht – und gehen dann doch auf. Wieder andere werden von innen zugeschlagen.
Mit perfider Genauigkeit hat Florence Jung einen Parcours gebaut, der Besucherinnen und Besucher immer weiter verunsichert und sie Dinge tun lässt, die sie – nüchtern betrachtet – wohl besser nicht getan hätten.
Ich zum Beispiel gebe meine Telefonnummer preis, ohne weiter darüber nachzudenken. Ich befolge lammfromm Kommandos, vergesse sofort, was mir gesagt wurde. Und erinnere mich bloss noch daran, dass es wichtig war.
Mich zu manipulieren, ist erschreckend einfach. Es genügen ein paar zuknallende Türen oder Menschen, die mehrdeutig kommunizieren. Natürlich hilft auch meine Befürchtung, von der versprochenen Kunst etwas zu verpassen.
Tschüss Freiheit
Wie ein guter Thriller nehmen uns die Szenarien von Florence Jung gefangen. Wir gehorchen oder widersetzen uns den Anweisungen oder Verführungen. Befolgen mit unseren Handlungen aber stets den Masterplan der Künstlerin.
Florence Jungs Kunstwerke erzählen von der Bereitschaft zu gehorchen. Und der Schwierigkeit, es nicht zu tun. Das ist erhellend. Insbesondere, weil jede und jeder weiss, wie wichtig es wäre, sich zu widersetzen und zum Beispiel digitale Datenspuren zu schützen, es aber aus Bequemlichkeit oder wegen anderer geschickt lancierter Verführungen doch nicht tun.
Das Datensammeln betreibt Florence Jung als weitere Ebene ihrer Kunst. Wer mag, kann die sorgfältig platzierten Hinweise darauf im Helmhaus weiterverfolgen. Oder sich ganz auf den Thriller im eigenen Kopf konzentrieren.
Szenario, Installation oder Performance?
So erlebt jeder und jede eine eigene Show im Helmhaus. Kommt dazu: Florence Jungs Kunstwerke sind keine handelsüblichen Performances. Eben weil die Besucherinnen und Besucher darin die Hauptrolle spielen. Und weil diese untypischen Performances sich wuchernd ausdehnen in Raum und Zeit.
Wer die Ausstellung besucht, erhält etwa Anweisungen für einen Treffpunkt ausserhalb des Helmhaus. Und wer – wie ich – brav irgendeine Nummer anruft, empfängt bald darauf rätselhafte Kurznachrichten, mit der Frage, ob die Tür geschlossen sei. Florence Jung wird ihrem Ruf als Meisterin der Verunsicherung gerecht.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 17.02.2020, 7:20 Uhr