Seit der Berliner Fotograf Boris Eldagsen mit einem von einer künstlichen Intelligenz kreierten Bild einen renommierten Fotopreis gewann , ist die Debatte lanciert: Ist KI eine Gefahr für Kunstschaffende? Oder tun sich Fotografinnen, Illustratoren oder Musikerinnen neue Möglichkeiten auf?
Mit einer neuen Gruppenausstellung nimmt das Haus der elektronischen Künste (HEK) in Basel den Ball auf und zeigt internationale Künstlerinnen und Künstler, die digitale Technologien in ihre Arbeit integrieren und so die Debatte weiterspinnen.
Eine Stimme, die alles kann
Da ist etwa ein ganzer Chor von künstlich generierten Stimmen. Die US-amerikanische Musikerin und Künstlerin Holly Herndon begann vor Jahren damit, ihre eigene KI zu trainieren, die sie «Spawn» nennt – also «Ausgeburt».
Diese Stimme habe Potenzial, sagt Sabine Himmelssbach, Direktorin des Hauses der elektronischen Künste und Ko-Kuratorin der Ausstellung. «Die Stimme kann jetzt Opern singen und kann weit mehr als Holly Herndon. Die KI beherrscht die gesamte musikalische Bandbreite.»
In der Ausstellung ist die KI-Stimme in einer Installation mit Bildschirm und Kopfhörern zu hören. Daneben hängen Dutzende von Porträts von Holly Herndon in unterschiedlichen Stilen – mal als Comic, dann wieder fotorealistisch. Alle von der künstlichen Intelligenz erzeugt.
«Wichtig ist Holly Herndon, dass sie diese Modelle trainiert – sie bestimmt, was die Trainingsdaten sind», sagt Himmelsbach. Die Künstlerin überlässt das Feld nicht den Techunternehmen hinter ChatGPT & Co. «Deren Programme werden mit irgendwas trainiert, das wir gar nicht kennen. Das ganze Internet wird nach Bildern und Klängen durchstöbert, um diese Modelle zu trainieren», sagt Himmelsbach.
Digitales Universum in Öl gemalt
Herndons Arbeit ist eine direkte Kritik an der Intransparenz der Trainingsdaten, mit denen künstliche Intelligenzen heute gefüttert werden. Eine andere kritische Arbeit kommt vom neuseeländischen Künstler Simon Danny. Er hat virtuelle Landschaften im Metaverse, dem digitalen Universum, mit Ölfarben analog auf Leinwand festgehalten.
«Seine Bilder zeigen, dass das Metaverse total kommerzialisiert ist. Man sieht etwa, dass ein virtuelles Stück Land von Tesla gekauft wurde und rundherum weitere ‹Grundstücke› verkauft wurden», sagt Himmelsbach. Diese «Kolonialisierung des digitalen Raums» sei problematisch.
Künstler legt Karriere offen
Die Ausstellung soll aufzeigen, wie im digitalen, dezentralen Raum alle mitmachen können. Am deutlichsten wird das beim Schweden Jonas Lund. Er hat mit dem «Jonas Lund Token» eine eigene Kryptowährung geschaffen. Alle, die den Token besitzen, können mitbestimmen, wie es in seiner Karriere weitergehen soll. Dazu befragt er immer wieder seine Shareholders.
Einmal habe er gefragt: «Soll ich ein halbes Jahr lang ein Sabbatical machen und in Schweden auf dem Land leben? Oder doch in Berlin bleiben?», erinnert sich Himmelsbach. Die Entscheidung des Boards war eindeutig: Berlin!
Die «Radikalität der Geste» fand Himmelsbach interessant. «Wenn sich das Board für Schweden entschieden hätte, dann hätte er das sicher auch gemacht.»
Das sogenannte Web 3, das neue dezentrale Internet, verspricht mehr Inklusion, Demokratie und Transparenz. Die Arbeiten in der Ausstellung gehen diesem Versprechen kreativ auf den Grund.