Ein flimmernder Vorhang, der aussieht wie aus Tonbändern und dahinter ein geheimnisvolles Halbdunkel voller Bilder, Zeichnungen und Papiermaché-Figuren: Willkommen im «Pulpokosmos».
Ihre Installation sei eine begehbare zweidimensionale Skulptur, sagt der Künstler M.S. Bastian. Eine Art Wimmelbild mit vielen Motiven: Bilder hängen an den Wänden und von der Decke herab. Am Boden liegen Textilbahnen.
Dazwischen stehen kleine Karton-Objekte und überlebensgrosse Figuren aus Papiermaché. Manche Motive erkennt man sofort wieder, auch wenn sie leicht verfremdet sind: Mickey Mouse, die Barbapapas, Laurel und Hardy, Tim und Struppi. Es gibt Bilder, die an Picasso erinnern, an Salvador Dali oder an Caspar David Friedrich.
Enzyklopädie der Gegenwart
Der Pulpokosmos ist eine Welt der Zitate und Hommagen, in der Pop und Kunst, Humor und Horror, Punk und Philosophie, Alltägliches und Intimes einen mal ausgelassenen, mal schwermütigen Reigen tanzen.
Die Bilder und Objekte verwandeln den grossen Saal im Neubau des Kunsthaus Grenchen in ein Labyrinth. Effektlampen streuen bunte Sterne darüber. Und in der Mitte sitzt – gross und weiss – Pulp.
Wer ist dieser Pulp?
«Pulp ist ein Tropfen von der Milchstrasse, der vor vielen Jahren zu uns gekommen ist», sagt M.S. Bastian. Seither spielt Pulp eine tragende Rolle im Werk der beiden Kunstschaffenden.
Pulp ist weiss, hat einen sehr grossen Kopf und riesige staunende Augen, mit denen er sich in der Welt umsieht. Was für eine Welt! In den Bildern, Zeichnungen und Objekten von M.S. Bastian und Isabelle L. erlebt Pulp die unglaublichsten Abenteuer. Er liegt als Würstchen auf einer Pizza.
Er steigt auf den Spuren von Tim und Struppi in eine chinesische Vase. Er kämpft sich durch wirres Grossstadtgewimmel und landet auch mal am Marterpfahl. Bei alledem bleibt er stets makellos weiss.
Nur seine grossen Augen spiegeln, was in ihm vorgeht. Staunend schauen sie sich um. Und fragend. Was ist das eigentlich für eine Welt voller Krieg und Hass und Korruption aber auch voller Freude, Freundschaft und Glück?
Kunst gegen die Informationsflut
M. S. Bastian und Isabelle L. haben sie sich an der Kunstgewerbeschule in Biel kennengelernt. Seit 1995 sind sie privat ein Paar, seit 2004 auch in der Kunst. Die Wurzeln ihrer künstlerischen Arbeit liegen in der Comic-Szene. Dort steht auch Pulps Wiege.
Im Pulpokosmos gibt es zahlreiche Verweise auf Comics von Disney und Hergé bis Robert Crumb. Auch Motive und Themen aus der Kunst- und Literaturgeschichte, aus Zeitgeschichte und Philosophie finden sich im Pulpokosmos. Dieses fiktive Universum ist ein Mix aus Wunderkammer und Ideenlager und ein Versuch, dem Bilder- und Informationsüberfluss der Medien zu begegnen.
Eine schier endlose Galaxie
Ein Grossteil der Werke entstand eigens für Grenchen. Deshalb kann die Installation auch nicht einfach abmontiert und an einem anderen Ort wieder eingerichtet werden.
Dennoch haben die beiden Kunstschaffenden Pläne, den Pulpokosmos weiterzubauen, weiterzudenken und weiter wachsen zu lassen. In Wil im Kanton St. Gallen soll im nächsten Jahr eine neue Variante des Pulpokosmos entstehen.
Der Kosmos kann endlos weiterwachsen, solange M.S. Bastian und Isabelle L. ihn wachsen lassen wollen und können. Und Pulp? Der freut sich wahrscheinlich auch. Auf seine stille, milchtröpfchenmilde Art.