Der Zürcher Fotograf René Burri (1933-2014) führte ein Leben am Puls der Weltgeschichte. Sein wohl bekanntestes Bild: das Porträt des Zigarren rauchenden Che Guevara.
Doch René Burri war mehr als nur Fotoreporter. Sechs Jahre nach seinem Tod zeigt die neue Ausstellung «Explosion des Sehens» im Fotografiemuseum in Lausanne weniger bekannte Seiten des Künstlers.
Die Schau ist das Ergebnis intensiver Forschungsarbeiten, die das Team des Musée d'Elysée seit 2013 zum gesamten Nachlass von René Burri durchgeführt hat.
«La ligne de vie»
Die Lebenslinie bildet den roten Faden der Ausstellung. Sie beginnt mit der Geburtsurkunde und endet mit einer Aufnahme des Schreibtisches von René Burri, wie er ihn zurückgelassen hatte, als er 2014 ins Spital musste, wo er wenig später verstarb.
Mélanie Bétrisey, Kuratorin der Ausstellung, durchforschte während sieben Jahren den gesamten Nachlass von René Burri. Begonnen hat sie damit noch zu Lebzeiten des Fotografen.
An die erste Begegnung mit René Burri erinnert sie sich noch gut. Sie sei prägend gewesen. René Burri war bereits krank, als er ihr aus seinem Archiv Filmrollen übergeben hatte.
«Es war überraschend, von einem so bekannten Fotoreporter Hunderte von Filmen zu erhalten», sagt Bétrisey. «Einen Teil der Ausstellung wollten wir deshalb seiner Leidenschaft für den Film widmen.»
Diverse Kurzfilme sind zu sehen. Diese zeigten nicht nur die künstlerische Vielseitigkeit von René Burri, sondern liessen auch eines seiner fotografischen Stilmittel besser verstehen, erklärt Co-Kurator Marc Donnadieu: «Die Unschärfe im Vordergrund» – direkt dem Film entlehnt.
Das Che-Porträt
Natürlich darf in der Ausstellung das weltbekannte Porträt des Zigarren rauchenden Che nicht fehlen. Doch: Gezeigt wird nicht etwa das Porträt in Grossformat, sondern die Geschichte dahinter.
Dazu gehören persönliche Erinnerungen an die Reise nach Havanna, wie das Swissair-Flugticket, der Pass mit dem Kuba-Visum oder die Bewilligung zum Fotografieren. René Burri war ein Sammler, sagt Mélanie Bétrisey, er habe alles aufbewahrt.
Gezeigt wird auch, wie das Bild entstanden ist. René Burri hat nicht nur eine Aufnahme von Che gemacht, sondern fast 150. Auf unzähligen Kontaktbögen ist ein lächelnder, ein gedankenverlorener oder ein arroganter Che zu sehen, von hinten, von vorne, von unten, von oben.
Fast alle Aufnahmen hätten Weltruhm erlangen können. Doch die eine Aufnahme wurde zur Ikone. «Gegen den Willen von René Burri», sagt Mélanie Bétrisey. Burri habe das Bild später ironisiert.
Ausgestellt ist ein Teller, auf dem René Burri das Che-Porträt mit Filzstift skizzierte. René Burri, der Maler und Zeichner – seine wohl am wenigsten bekannte künstlerische Begabung, die in der Ausstellung zu entdecken ist.
Zahlreiche Aquarelle, Zeichnungen und Collagen zeigen eine überraschende künstlerische Seite des Fotografen. Der Schau gelingt es, der vielseitigen kreativen Arbeit Burris mit neuem Blick zu begegnen und den Menschen hinter der Fotokamera greifbarer zu machen.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 29.1.2020, 17:20 Uhr