- Eine Ausstellung in der Tate Modern in London zeigt Kunst im Zeichen von «Black Power».
- Sie dokumentiert das Engagement afroamerikanischer Künstlerinnen in der US-Bürgerrechtsbewegung in den Jahren 1963 bis 1983.
- Viele Künstler zeigen die Kehrseite des weissen amerikanischen Traums – und schaffen neue schwarze Ikonen.
Fackel- und Kreuzträger unter Kutten und Spitzhauben: Ganz in Weiss tauchen sie auf aus dem schwarzen Hintergrund. Schemenhaft, gespenstisch und bedrohlich.
Fast wie in einem mittelalterlichen Mysterienspiel formieren sich die Maskierten zu einem ominösen nächtlichen Ritual: ihrem Mummenschanz des Rassismus.
Der amerikanische Albtraum
Das Gemälde des Malers Norman Lewis (1909-1979) – mit dem Titel «America the Beautiful» – zeigt eine Versammlung des Ku-Klux-Klan. Es entstand 1960 und besticht durch den Schwarz-Weiss-Kontrast und die abstrakte Bildgebung.
Das Werk hängt im ersten Raum der Tate-Schau und gibt den Grundton vor für die nachfolgenden rund 150 Exponate der Ausstellung.
«America the Beautiful»: Das spielt auf eine patriotische Hymne auf das Gelobte Land USA an. Sie wird hier von Lewis aufs Bissigste konterkariert.
Gewalt statt Gleichheit
Er ist die Zielscheibe der knapp 60 hier versammelten, in Europa weitgehend unbekannten afroamerikanischen Künstler: der Mythos von Amerika als dem Land der Freiheit, Gleichheit und unbegrenzten Möglichkeiten.
In zwölf Räumen präsentiert «Soul of a Nation» die Schattenseiten der nationalen Legende: den amerikanischen Albtraum von Sklaverei, Polizeigewalt und permanenter Diskriminierung.
Am Anfang stand ein Traum
«I have a dream»: Mit seiner berühmten Rede, gehalten in Washington im August 1963 , verlieh Martin Luther King (1929-1968) nicht nur der schwarzen Bürgerrechtsbewegung entscheidende Impulse. Die Rede war auch die Initialzündung für den Aktionismus schwarzer US-Künstler.
Schon kurze Zeit später schlossen sich in New York Kreative – unter ihnen Norman Lewis – zum Künstlerkollektiv «Spiral» um den Collagisten Romare Bearden (1911-1988) zusammen.
Die Gruppe wurde zur Speerspitze einer in Schwarzensiedlungen agierenden, sozial engagierten Bewegung, die sich abseits des kommerziellen Mainstreams mit Fragen auseinandersetzte wie: Was kann Kunst von Schwarzen leisten? Wer sind unsere Adressaten? Wie stehen wir zur Gesellschaft?
Das Ghetto als Galerie
Ähnliche Initiativen gab es in der Folgezeit in verschiedenen Landesteilen. Im kalifornischen Oakland operierte die 1966 gegründete «Black Panther Party», die sich etwa für eine bessere Wohnsituation und Bildung für Schwarze einsetzte.
Die Zeitung der «Black Panthers» illustrierte der Grafiker Emory Douglas (*1943), der als «Kulturminister» der Partei die Devise ausgab: «Für den revolutionären Künstler ist das Ghetto die Galerie!»
Die Tate zeigt Aufnahmen zahlreicher Wandmalereien, darunter das grösste Projekt dieser Art der künstlerischen Mobilmachung: die «Wall of Respect» in Chicago (1967).
Das Wandbild ziert die Mauer eines verwahrlosten Gebäudes und enthält Porträts «schwarzer Helden» in Sport, Literatur und Politik.
Ikonen der «Black Power»
Die schwarzen «Civil Rights»-Ikonen sind in der Schau so ziemlich alle vertreten: neben King vor allem Stokely Carmichael, Malcolm X oder die «Black Power»-Olympia-Athleten Tommie Smith und John Carlos, die bei der Siegerehrung in Mexiko 1968 mit hochgestreckten schwarzen Handschuhfäusten aufs Podest traten. Muhammad Ali – als Siebdruck von Andy Warhol – und Angela Davies.
Wadsworth Jarrell (*1929) malte die «Revolutionärin» Davis 1971 in Pop-Art-Manier: als knallbuntes Kaleidoskop, bestehend aus Zitaten aus ihren Reden.
Superfrau und Superman
Neben der «Superfrau» der schwarzen Emanzipationsbewegung darf er nicht fehlen: der Maler Barkley Hendricks (1945-2017), einer der Pioniere der kreativen «Black Power»-Revolte.
1969 malte er sich selbst: lebensgross, in lässiger Pose, mit verschränkten Armen, im T-Shirt mit Superman-Logo.
Hendricks spielt hier Bobby Seale an, den Gründer der «Black Panther»-Partei, Der sagte einst vor Gericht: «Wir sind sowas von hip! Superman musste noch nie einen Schwarzen retten.»
«Black Power» passt ins Konzept
Die «Revolution» unter dem Banner der geballten schwarzen Faust blieb eine Revolte. Und doch: «Black Power ist weiter aktuell», sagt Co-Kurator Priyesh Mistry.
«Soul of a Nation» fügt sich bestens ins Konzept der vier Tate-Galerien. Maria Balshaw, die neue Leiterin des Tate-Imperiums, und Tate Modern-Chefin Frances Morris plädieren für noch mehr Vielfalt unter ihren Dächern. Etwa für mehr Kunst von und für Minderheiten.
Eines wollen sie nicht: weisse Flecken auf dem Tate-Globus der Künste.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 14.7.17, 16:50 Uhr